Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Thoma
Vom Netzwerk:
ab, sagte: »Ich ruf dich morgen an« und verschwand.
    Als Mark die Kinder am nächsten Morgen abholte, nutzte ich die Gelegenheit, um ihn nochmals auf Weihnachten anzusprechen. Mark erklärte mir, noch nicht sagen zu können, wie lange er die Kinder in den Ferien zu sich nehmen könnte.
    »Du weißt doch, wie das mit dem Jahresendspurt ist«, sagte er, »jedes Jahr habe ich mit dem üblichen Wahnsinn zu kämpfen: Alle Mandanten wollen ihre Deals noch im laufenden Kalenderjahr über die Bühne bringen, die Notare haben keine freien Termine mehr, und Beurkundungen laufen bis tief in die Nächte hinein.«
    »Ist klar«, sagte ich und verkniff mir die Bemerkung, dass es in Marks Berufsleben immer eine hyperwichtige Vertragsabschlussrallye gab.
    Später, als Mark und die Kinder gegangen waren, rief ich Jesco an und entschuldigte mich nochmals bei ihm.
    »Schon gut«, antwortete er wortkarg. »Ich komm um fünf bei dir vorbei, ja?«
    »Einverstanden«, sagte ich und hoffte, dass er mir wirklich verziehen hatte.
    Den Rest des Samstags verbrachte ich damit, die Wohnung weihnachtlich zu schmücken, denn am nächsten Tag war der Erste Advent. Wie immer hielt ich die Dekoration schlicht und stellte neben den Adventskalendern für die Kinder nur einen Adventskranz und rote Amaryllisgewächse auf, die mir besser gefielen als Christsterne.
    Außerdem versuchte ich, meine Mutter zu erreichen. Obwohl ich nicht wusste, ob die Reise mit Jesco wirklich stattfinden würde, wollte ich ihr für Weihnachten absagen. Ich wünschte mir zwar wieder – nicht zuletzt der Kinder zuliebe – engeren Kontakt mit ihr. An den emotional aufgeladenen Feiertagen hielt ich ein erstes Wiedersehen aber für riskant.
    Nachdem ich über den Tag hinweg mehrmals nur die Mailbox meiner Mutter erreicht hatte, hinterließ ich ihr als Nachricht, dass ich Heiligabend voraussichtlich nicht in Berlin sein und Mark sich um die Kinder kümmern würde.
    Als Jesco wie geplant am späten Nachmittag zu Besuch kam, schien er unseren Streit tatsächlich ad acta gelegt zu haben. Gut gelaunt setzte er sich an meinen Küchentisch und schob dabei den Adventskranz achtlos beiseite. Sein Blick verriet mir, dass er wirklich ein Weihnachtshasser war und alles verabscheute, was damit zu tun hatte.
    Der müsste mal das Haus der Königs in Zehlendorf im Advent sehen, dachte ich. Dort sah man schon von Weitem einen Schlitten im Vorgarten, vor den ein Elch mit blinkender roter Nase gespannt war, einen Weihnachtsmann, der auf den Balkon kletterte, sowie viele rote, grüne und blaue Lichterketten, die die Fensterrahmen säumten. Im Haus selbst sah es nicht anders aus: Überall hingen Leuchtsterne an den Wänden und Decken, und im Wohnzimmers stand neben dem Adventskranz eine Weihnachtskrippe mit den üblichen Figuren samt blinkendem Schutzengel und Spieluhr. Außerdem waren über sämtliche Stuhllehnen Hussen in Form großer Weihnachts mützen gestülpt, und auf sämtlichen Ablageflächen stan den neben vielen grünen und roten Kerzen unzählige Teelichter, die entweder aussahen wie Elche oder wie kleine Nikoläuse. Aus den Fenstern konnte man nicht mehr hinausgucken, da die Scheiben mit Schneespray zugekleistert waren, und klingelte man an der Haustür, ertönte Jingle Bells .
    Weil Jesco am nächsten Morgen früh zum Flughafen musste, um zur Kunstmesse Art Basel Miami Beach nach Florida zu fliegen, wollten wir uns einen ruhigen Abend machen. Wir kauften Sushi, legten uns auf mein Sofa vor den Fernseher und entschieden uns für einen Film, der in Afrika spielte. Inspiriert von den Landschaftsaufnahmen schmiedeten wir Pläne für unsere hoffentlich stattfindenden Ferien und verfolgten den Film nur am Rand. Zum Glück stellte sich Jesco unsere Reise ähnlich vor wie ich: Auch er erkundete lieber fremde Länder, anstatt stundenlang am Strand in der Sonne zu braten, zog einheimische Kneipen Touristenrestaurants vor und bewegte sich nur in lokalen Bussen und Zügen durch das fremde Land, um möglichst viel davon mitzukriegen.
    »Guck mal«, sagte ich und zeigte auf den Fernseher, wo gerade einsame Strände vor Sanddünen zu sehen waren, »da machen wir uns dann ein Lagerfeuer und grillen frisch gefangene Fische …«
    »Und dazu Gin Tonic als Sundowner«, ergänzte Jesco.
    Jetzt wurden Kumuluswolken gezeigt, die sich vor azur blauem Himmel pink färbten, während am Horizont eine strah lende Sonne langsam im Meer versank.
    »Wahnsinn, ist das schön«, schwärmte ich. »Ich kann’s kaum

Weitere Kostenlose Bücher