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Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann

Titel: Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Thoma
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ich wusste, wie kompliziert es für Väter ohne Sorgerecht war, gegen den Willen der Mutter Kontakt zu ihrem Kind zu halten, fiel es mir schwer, aufbauende Worte für Sven zu finden. Kürzlich erst hatte mir mein alleinstehender Nachbar Christian erzählt, er hätte seine Tochter seit mehr als vier Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen. Als »entsorgter Vater« war er sogar vor Gericht gezogen, um Kontakt zu seiner Tochter halten zu dürfen, doch ohne Erfolg. Die Eskalation in Christians Streitfall ähnelte vielen anderen Fällen, in denen Vätern der Kontakt zu ihrem Kind oder ihren Kindern per Gerichtsbeschluss untersagt worden war und war wie folgt abgelaufen: Als Christians Tochter drei Jahre alt war, trennte er sich von seiner Freundin, die ihm daraufhin den Kontakt zur Tochter verwehrte. Christian versuchte erst friedlich, dann über einen Anwalt, sich mit seiner Exfreundin über ein Umgangsrecht mit dem Kind zu einigen. Weil seine Versuche scheiterten, zog er vors Amtsgericht, wo es wegen Überlastung erst ein Dreivierteljahr später zur Verhandlung kam. Da seine Exfreundin ihn vor Gericht der Pädophilie bezichtigte und es dafür zwar keine Beweise gab, Christian aber auch nichts in der Hand hatte, um den Verdacht auszuräumen, beschloss der Richter für Christian ein begleitetes Umgangsrecht mit seiner Tochter: Auf neutralem Boden im Beisein einer Sozialarbeiterin. Christian fand es zwar absurd, seine Tochter nur einmal im Monat für drei Stunden zusammen mit einer Sozialarbeiterin sehen zu dürfen, erhoffte sich darüber aber eine schrittweise Entspannung der Situation. Doch schon das erste geplante Treffen sagte seine Exfreundin kurz vorher ab und ging stattdessen gerichtlich in Berufung; wegen der Überlastung der Gerichte fand die neue Verhandlung wiederum erst zehn Monate später statt: Die neue Richterin bestätigte den Beschluss der ersten Verhandlung.
    Als Christian seine mittlerweile fünfjährige Tochter erstmals nach knapp zwei Jahren unter Beisein einer Sozialarbeiterin wiedersah, trat die Kleine ihm gegenüber dementsprechend scheu auf. Christians Exfreundin beauftragte daraufhin eine Psychologin mit einem Gutachten, da sie der Meinung war, das Treffen mit dem Vater habe die Tochter verstört, und sein Umgang täte ihr nicht gut. Die Psychologin kam zu dem Schluss, dass die Tochter wegen der Auseinandersetzung der Eltern in einen Loyalitätskonflikt geraten war, der ihr in der Tat nicht guttäte. Und dass es insofern das Beste für das Kind war, wenn es den Vater nicht mehr treffen würde. Das Gericht, vor das Christians Expartnerin erneut zog, unterstützte jetzt die Empfehlung der Psychologin. Seine Hoffnung, an der Situa tion könnte sich noch etwas ändern, hatte Christian inzwischen aufgegeben.
    Mich hatte Christians Geschichte schockiert. Frauen, die die Väter ihrer Kinder ausgrenzten, konnte ich nur verstehen, wenn die Gefahr bestand, die Männer könnten den Kindern etwas antun. Soweit ich wusste, war das in vielen Streitereien um das Umgangsrecht aber nicht der Fall. Stattdessen wurden die Männer-Entsorger-Mütter zum einen von ihren Rachegelüsten angetrieben und zum anderen von einer Hybris. Letztere verleitete sie zu dem Irrglauben, nur sie selbst seien in der Lage, ihr Kind beziehungsweise ihre Kinder angemessen zu erziehen.
    Abschließend riet ich Sven, nicht zu vehement auf sein Recht zu pochen, um Inka nicht noch mehr gegen sich aufzubringen. Denn bestimmt hätte sie jedes Mal ein schlechtes Gewissen, wenn Nele nach ihm fragte. Und die notwen dige Härte für ein dauerhaftes Kontaktverbot zwischen Vater und Tochter würde sie nur entwickeln können, wenn ihre Ag gressionen gegen Sven stärker waren als die Liebe zu der Tochter.
    Sven bedankte sich für mein Mitgefühl. Wir verabschiedeten uns, und er versprach, mich auf dem Laufenden zu halten.
    Während der nächsten Tage fieberte ich meinem Wiedersehen mit Jesco entgegen.
    »St. Gaudy, gleiche zeit wie immer?« , erreichte mich endlich – ich saß noch bei der Fortbildung – am Morgen seiner Rückkehr eine SMS von ihm.
    »Freu mich, bis später« , schrieb ich zurück. Gleich nach Unterrichtsschluss machte ich mich auf den Weg ins St. Gaudy .
    Schon als ich Jesco von Weitem auf einem Sofa im hinteren Raum entdeckte, ahnte ich, dass etwas nicht stimmte. Dass er mich mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange und nicht mit einem innigen auf den Mund begrüßte, bestätigte meine miese Vorahnung.
    »Ich hab in Amerika über uns

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