Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
erwarten, über hohe Sanddünen zu laufen und dabei den warmen Wind auf meiner Haut zu spüren …«
»… und dann lassen wir uns zusammen im Meer von den Wellen tragen«, stimmte Jesco mit ein und tastete mit seiner Hand unter meinen Pullover, »und niemand stört uns, wenn wir uns stundenlang lieben …«
Ich schloss meine Augen, als Jesco mir den Pullover auszog, und stellte mir die Sonne Afrikas vor, die meinen Körper wärmte.
Draußen war es dunkel, und ich lag noch im Halbschlaf im Bett, als Jesco mir am nächsten Morgen zum Abschied »Ich meld mich, wenn ich wieder da bin«, zuflüsterte. Als ich die Wohnungstür ins Schloss fallen hörte, ging ich auf den Balkon. Ich sah Jesco nach, wie er im Nebel eines grauen Dezembermorgens in ein Taxi stieg. Schon jetzt konnte ich kaum erwarten, ihn in einer Woche wiederzusehen.
Als ich Maya und Fanny das nächste Mal aus der Kita abholte, kamen mir die Mädchen aufgeregt entgegengelaufen.
»Mami, Nele ist weggezogen!«, riefen sie durcheinander und meinten damit Svens Tochter.
Ich sah an die Garderobenleiste. Unter dem Bärenbild stand wirklich nicht mehr »Nele«, sondern »Emma«, und eine Erzieherin bestätigte mir den plötzlichen Wegzug des Mäd chens.
Zurück auf der Straße, rief ich Sven an. Er klang bedrückt und bat mich, ihn nach der Fortbildung im Café St. Gaudy zu treffen.
»Inka ist ausgerastet, als sie erfahren hat, dass ich mit Julia zusammen bin«, fiel er aufgewühlt mit der Tür ins Haus, kaum dass wir uns gesetzt hatten.
»Sie meint, es ist nicht im Sinne des Kindeswohls, wenn Nele mich mit meiner Freundin sieht. Deshalb ist sie völlig über stürzt mit Nele zu ihrer Schwester nach Hamburg gezogen und droht mir jetzt, meine Tochter nicht mehr sehen zu dürfen.«
»Ich glaube, Inka ist eine Rächer-Echse«, kommentierte ich die schlechten Neuigkeiten. »Sie gönnt dir aus überholtem Besitzanspruch nicht, mit jemand anderem glücklich zu werden, und schreckt nicht davor zurück, ihre Tochter als Waffe zu instrumentalisieren. Wahrscheinlich würde sie am liebsten alten Fisch in deinen Vorhangstangen verstecken.«
Sven gab mir recht und stand auf, um uns Speisekarten an der Bar zu holen.
Er tat mir leid. Wenn nach einer Trennung Kinder mit im Spiel waren, litt man unter Rächer-Echsen wahrscheinlich am meisten – abgesehen von den Zigaretten-Holer-Echsen, die einfach weg waren und sich tot stellten. Im Vergleich dazu konnte ich mich mit Mark, der zu den Abgrenzer-Echsen zählte, direkt glücklich schätzen, wobei er in meinen Augen übertrieb. Dass er sich für meine Probleme nicht mehr zuständig fühlte, konnte ich zwar nachvollziehen. Dass er sich, um jegliche Kommunikation mit mir zu vermeiden, aber auch nicht mehr über die Belange der Kinder austauschen wollte, fand ich befremdlich. Denn damit grenzte sich Mark unweigerlich von deren Alltag ab. Wenigstens konnten aber die Konflikte zwischen uns auf diese Weise nicht zu sehr hochkochen.
Außerdem verhielten sich Abgrenzer geradliniger als eine weitere verbreitete Echsenspezies – die Kontrollettis. Die konnten nicht loslassen und mischten sich auch nach der Trennung unentwegt ins Leben des Expartners ein. Angeblich, weil sie modern und souverän mit der Trennungssituation umgingen. In Wahrheit ging es ihnen aber nur darum, weiter hin im Spiel zu bleiben. Zum einen aus Angst vor einem Kont rollverlust und zum anderen auch aus Angst davor, dass sich Türen schließen und ihnen ein mögliches Revival der Beziehung verbauen könnten.
Als Sven zurückkam, hatte er zwei Speisekarten in der Hand und einen Kellner im Schlepptau, der unsere Bestellung aufnahm.
Anschließend berichtete er, dass er gar kein Sorgerecht für Nele hatte. Da Sven und Inka nicht verheiratet gewesen waren, hätte er das nach Neles Geburt gesondert beantragen müssen. Naiverweise war er damals aber davon ausgegangen, das Sorgerecht ginge mit seiner Anerkennung der Vaterschaft einher.
Sein Anwalt hatte Sven jedoch erklärt, dass Nele zwar theoretisch ein Recht auf Umgang mit Vater und Mutter hatte. Doch in der Realität behandelten die Gerichte Väter ohne Sorgerecht oft nur als die Erzeuger ihrer Kinder. Sie ignorierten sogar den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der die Benachteiligung lediger Väter in Deutschland bei der Vergabe des Sorgerechts als Diskriminierung verurteilt hatte. Insofern war Sven auf die Zustimmung seiner Exfreundin angewiesen, wenn er seine Tochter weiterhin sehen wollte.
Da
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