Wer Hat Angst Vorm Zweiten Mann
Malmkvist trällert: »Liebeskummer lohnt sich nicht, my darling , schade um die Tränen in der Nacht …« und dazu lahme Plattitüden absondert wie: »Du musst jetzt nach vorn sehen«; »Was einen nicht umbringt, macht einen stärker«; »Es gibt noch andere Männer auf der Welt« oder »Mach dir nichts draus, c ’ est la vie «;
• die Über-den-Dingen-Stehende , die in ihrem Leben gerade intensiv mit etwas anderem beschäftigt ist als Männern. Dabei muss es nicht zwingend um Kinderbelange, etwas Berufliches oder den Tod eines nahen Verwandten gehen. Oft lässt schon die diffizile Suche nach einem neuen Outfit die Über-den-Dingen-Stehende gelangweilt die Augen verdrehen und fragen: »Warum beschäftigst du dich mal nicht mit was Sinnvollerem als mit Männern?«;
• die Bhuddisma , die einen mit Belehrungen darüber quält, dass man seine Bedürftigkeit nicht von anderen stillen lassen darf. Auch darf man laut der Bhuddisma sein Glück nicht von einem Mann abhängig machen. Im Gegenteil soll man sich über die Zeiten des Alleinseins freuen, da diese einem Gelegenheit geben, sich wieder mal selbst zu spüren. »Nur wenn du in dir selbst ruhst und dich so annimmst und liebst, wie du bist, kannst du eine erfüllte Beziehung leben«, propagiert die Bhuddisma selbst dann, wenn ihr das in ihrem eigenen Leben nicht gelingt. Alternativ rät sie einem, das Alleinsein zu nutzen, um etwas für sich selbst zu tun, und propagiert: »Erlerne eine neue Sprache, eine neue Sportart oder meditiere und öffne dem göttlichen Bewusstsein die Türen!«;
• die Yin-Yanglerin , die einen dazu anhält, das Glas als halb voll zu betrachten. Sehnsuchtsvoll parliert sie darüber, wie gern sie die Rollen tauschen und einem den Liebeskummer abnehmen würde. Das meint sie ganz ernst. Die Yin-Yanglerin würde nämlich alles dafür geben, um wieder starke Gefühle zu empfinden, selbst wenn sie schmerzhaft sind. Denn sie beneidet jeden, der sich noch lebendig fühlt. Dieser Prototyp tritt am häufigsten unter verheirateten Frauen auf.
Als ich nach Hause kam – und mich nicht lebendig fühlte, sondern schwer krank –, gab es doch jemanden, der mich sehnsüchtig erwartete: Clooney. Er schien zu spüren, wie schlecht es mir ging, denn er schmiegte sich an meine Beine. Ich legte mich aufs Sofa, stellte den Fernseher an und hoffte auf einen Film, der mich aus der Realität fliehen ließ. Doch vergebens. Entnervt schaltete ich den Fernseher wieder aus und versuchte zu schlafen. Doch sobald ich die Augen schloss, schossen mir Bilder von Jesco und mir in den Kopf. Wie am dramaturgischen Tiefpunkt eines Hollywoodschinkens liefen melancholische und sehnsuchtsvolle Slow-Motion-Bilder unserer vergangenen Liebe vor meinem geistigen Auge ab und mischten sich mit wirren Gefühlen der Leere und Enttäuschung.
Ich riss mich zusammen, zog mir Laufklamotten an, nahm Clooney an die Leine, versteckte für Natalia den Wohnungsschlüssel am vereinbarten Ort und fuhr zum Joggen in den Volkspark Friedrichshain. Doch auch dieser Ablenkungsplan scheiterte, da sich Clooney nicht einmal durch Leckerlis davon überzeugen ließ, als einziger Stadthund im matschigen Dezemberschneeregen durch einen Park zu laufen.
Zurück im Auto fuhr ich ziellos um die Häuserblocks vom Prenzlauer Berg. Die Geräusche des stärker werdenden Eisregens beruhigten mich etwas. Ich zwang mich, aus meinem Gedankenkarussell auszubrechen und die Perspektive meiner resoluten Großtante Hella einzunehmen.
»Du bist selbst schuld!«, hätte sie mich dafür gerügt, dass ich nicht viel früher auf Abstand zu Jesco gegangen war.
»Spätestens, als du herausgefunden hast, dass er zu den Zwei-Jahres-Beziehungs-Männern gehört, hättest du dich nicht tiefer auf ihn einlassen dürfen«, hätte sie mich außerdem gescholten und recht gehabt: Meine frische Verknalltheit hätte ich mir noch ausreden können. Doch anstatt vorsichtig zu sein, hatte ich mich blind in meinen Liebesrausch gestürzt. Obendrein hatte ich mir Jescos früheres Beziehungsverhalten damit schöngeredet, dass seine Exfreundinnen wenigstens unterschiedlichen Alters gewesen waren. Der klassische Zwei-Jahres-Beziehungs-Mann hingegen reißt zeit seines Lebens immer wieder sechsundzwanzigjährige Frauen auf, die er zwei Jahre später in ihr eigenes Leben zurückentlässt.
Bestimmt hätte es Hella auch nicht verstanden, wie ich a) mir einbilden konnte, die Gefühle zwischen Jesco und mir seien so einzigartig gewesen, dass unsere
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