Wer hat Tims Mutter entführt?
Unsere Eltern sind alle damit einverstanden, daß wir ein bißchen
schwänzen, wissen aber offiziell nichts. Denn sie können sich ja nicht vor die
Pauker hinstellen und unser Tun billigen. Es handelt sich also um eine
großangelegte Verschwörung. Und als Gaby letzte Nacht mit unserem Direx Dr.
Freund telefonierte, hat sie entsprechend vorgebaut. Unsere Eltern ziehen wir
also nicht hinein. Sie sind aus dem Schneider. Den Ärger, falls er sich
entwickelt, laden wir auf unsere Häupter.“
„Ich glaube nicht, daß wir
davon Beulen oder Kopfschmerzen kriegen“, sagte Gaby. „Dr. Freund war völlig
gebügelt, als ich ihm sagte, daß deine Mutter verschwunden ist, Tim. Du sollst
ihn anrufen und auf dem laufenden halten.“
Der TKKG-Häuptling nickte.
Sie stiegen die Treppe hinauf.
Das ist echte Freundschaft,
dachte Tim. Was riskieren für den anderen, bei null Vorteil für einen selbst.
Selbstloser Einsatz! Jawohl! Gibt’s viel zu wenig im Lande.
Er führte sie in die Wohnung.
Das Gepäck wurde in der Diele abgesetzt. Tim zeigte alle Räume. Gaby war
entzückt. Als Mädchen hat sie den richtigen Blick für geschmackvolles
Einrichten; und Susanne Carsten hatte — ohne großen geldlichen Aufwand — aus
der Etagenwohnung ein Schmuckstück gemacht.
„Ich habe zwölf Tafeln Schoko
mit“, sagte Klößchen. „Sind ein bißchen weich geworden in der Hitze. Kann ich
sie mal in den Eisschrank legen?“
„Benimm dich, als wärst du zu
Hause“, erwiderte Tim.
„Nur nicht so schlampig“, fügte
Karl grinsend hinzu.
„Ich schlage vor“, sagte Tim,
„du beziehst Susannes Zimmer, Gaby. Wir Jungs stellen in meiner Bude die beiden
Gartenliegen auf, die im Keller stehen, und igeln uns dort ein. Für eure
Klamotten ist in den Schränken noch Platz.“
Es dauerte nur fünf Minuten,
bis seine Freunde sich häuslich eingerichtet hatten.
Tims Weg zum Zeitungs-Kiosk
erübrigte sich. Jeder seiner Freunde hatte unterwegs eine Sonntagszeitung
gekauft — als Reiselektüre. Verschiedene Blätter natürlich, um sie nach
Durchsicht untereinander austauschen zu können.
Während Gaby in der Küche Tee
kochte für alle, überflog Tim die Seiten, hüpfte von Überschrift zu
Überschrift, fand aber kein Wort, was den General Anastasio Fuentedos betraf,
die stählerne Eidechse.
Schließlich saßen alle am
Couchtisch, und Tim berichtete. Wobei er den Tatsachen auch seine Stellungnahme
anfügte — was die Personen betraf: Mortius, Martin Dramp, den Rotweißen, Edith
Pressler — die schöne Pestbeule mit den Schlangenaugen. Über Fuentedos ließ
sich nicht viel sagen — außer den hinlänglich bekannten Greueltaten, die er in
seiner lateinamerikanischen Heimat verübte.
Vom Silent Warrior hatte noch
niemand gehört. Selbst Karl mußte verneinen.
Tim wies hin auf die
Widersprüche in diesem Kidnapping. Auf den bekannten Geiz des Chemie-Industriellen,
der andererseits mit Großzügigkeit prahlte und das bewies, indem er das Geld
zur Verfügung stellte.
Tim vergaß auch nicht, den
rachsüchtigen Autoknacker zu erwähnen.
„Dieser hirnrissige Kotztyp und
sein Kumpan werden vermutlich hinter mir herschleichen. Wie der zweite
aussieht, konnte Marion nicht sagen. Aber auf den andern achten wir, falls er
sich blicken läßt. Er ist so groß wie ich, trägt weißblonde Borsten auf der
Rübe, hat Ohren wie ein Karpfen, also beinahe keine, trotzdem einen goldenen
Stecker drin — links. Ein Gesicht wie die italienische Po-Ebene, nämlich flach.
Fischaugen. Eine Narbe spaltet die linke Augenbraue.“
„Lederweste und kariertes
Hemd?“ fragte Gaby.
„Genau.“
„Der Typ hängt im Bahnhof rum.
Als wir ankamen, ist er mir — mit Schnapsflasche in der Hand — vor die Füße
gestolpert. Hat versucht, mich anzumachen. Aber ich war weg, ehe er sich
umdrehen konnte.“
Eine Weile dachte jeder nach
über die Situation.
„Du willst also heute abend
nichts unternehmen“, sagte Karl, „was die Kidnapper nervös machen könnte.“
Tim nickte. „Sie drohen. Ich
muß ihnen glauben. Susannes Gesundheit steht über allem. Sobald meine Mutter
frei ist, möchte ich natürlich den Kidnappern die Kohle ab jagen. Damit Susanne
dem Mortius nicht lebenslänglich zu Dank verpflichtet ist, sondern dort die
Brocken hinwerfen kann, falls sie lieber zu Falkheym-Cornelli geht — beruflich.
Ja, Willi, tausend Dank für dein Angebot. Aber ich glaube nicht, daß es
Susannes Wunsch ist, vom Vater meines Freundes eine halbe Million zu leihen.
Darauf
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