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Wer hat Tims Mutter entführt?

Wer hat Tims Mutter entführt?

Titel: Wer hat Tims Mutter entführt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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alles sagen.“
    „Der Kidnapper hat zum zweiten
Mal angerufen. Gestern, ziemlich spät. Ich soll das Geld heute abend
überbringen. Ja, ich. Um halb zwölf im Fellgerber-Viertel.“
    „Bist du sicher, daß es der
Kidnapper war?“
    „Natürlich. Dieselbe verstellte
Stimme. Außerdem — wer weiß denn sonst noch, daß meine Mutter entführt wurde?
Sie denken an einen Trittbrett-Fahrer, der sich reinhängt und abkassieren will,
obwohl er mit der Sache nichts zu tun hat? Das halte ich für unmöglich.“
    Dramp knurrte Unverständliches.
Dann: „Du brauchst also die 500 000. In der Portokasse liegen die natürlich
nicht. Auch bei einem Adolf Mortius nicht. Aber bis heute abend — sagen wir:
bis 18 Uhr — beschafft er das Geld bestimmt.“
    „Dann komme ich um diese Zeit.“
    „Tu das. Bist du dir eigentlich
darüber im klaren, was für eine großartige Geste das von Herrn Mortius ist?“
    „Bin ich.“
    „Wer täte das sonst?“
    Tim schwieg.
    „Ich nehme an, das wird auch
deine Mutter zur Dankbarkeit verpflichten.“
    „Meine Mutter ist noch nie
undankbar gewesen.“
    „Aber es kommt darauf an, ob
man Dank schuldet für eine Theaterkarte, einen Blumenstrauß, eine Einladung zum
Abendessen oder für eine halbe Million.“
    Mein Gott! dachte Tim. Dieser
Mistkerl! Wie der es genießt, mich — mich und Susanne — zu demütigen. Jaja,
alles hängt jetzt ab von dem Geld. Aber dieser rotweiße Fatzke führt sich auf,
als wäre es sein Geld. Dankbarkeit! Und Susanne denkt an Kündigung und Wechsel
zu Falkheym-Cornelli. Eine verfahrene Kiste. Das geht dann nicht mehr. Für die
halbe Million ist sie Mortius ausgeliefert — sozusagen mit Haut und mit Haaren.
Auch wenn der — angeblich — keine Bedingung knüpft an seine großzügige Geste.
    „Ja“, sagte Tim, weil ziemlich
viel Pause die Leitung füllte. „Was ja?“
    „Es besteht ein Unterschied
zwischen einer Theaterkarte und einer halben Million Mark.“
    „Schreib dir das hinter die
Ohren.“
    „Ich habe schon den Bleistift
in der Hand, Herr Dramp. Wieviel steuern Sie eigentlich bei zu dem Lösegeld?
Vermutlich nichts. Aber das machen Sie wett, indem Sie erklären und ermahnen
wie ein Oberlehrer. Ich werde um 18 Uhr da sein. Wiederhören.“
    Der Toast war kalt geworden und
die beiden Spiegeleier auch.
    Tim stärkte sich mit Tütenmilch
und dachte nach. Ein alberner Gedanke fuhr Karussell in seinen grauen Zellen.
Stellte Mortius das Geld nur zur Verfügung, weil er von Susannes Absichten
wußte? War es ihm 500 000 Mark wert, seine Hauptbuchhalterin daran zu hindern,
daß sie kündigte?
    Lächerlich! dachte Tim. Bei
allem Respekt vor Susannes Tüchtigkeit. Das kann nicht der Grund sein.
     
    *
     
    Die Luft roch nach Moder.
Wassertropfen liefen an den Wänden herab. Oben in einer Ecke, wo es halbwegs
trocken war, hatte eine fette, schwarze Spinne ihr Netz gespannt, angefüllt mit
ausgelutschten Fliegenleichen.
    Immer wieder, seit sie hier
war, mußte Susanne zu der Spinne hinaufsehen. Beobachtete das Insekt, dieses
urweltliche Kleintier, sie, die Gefangene?
    Meine Nerven! Susanne
schauderte. Ich drehe durch. Mein Gott, was soll das? Weshalb hat man mich
hergebracht? Wer? Was soll ich hier? Wem habe ich was getan?
    Es war der zweite Morgen. Also
Sonntag. Neben der Spinne, ganz oben unter der hohen Decke, war ein kleines,
kaum schuhkarton-großes Fenster in der Wand. Vergittert. Schmutz auf der
Scheibe.
    Kein Hilfeschrei drang dort
hinaus. Aber Susanne sah, daß die Sonne schien. Es war kurz nach zehn auf der
Armbanduhr. Zehn Uhr früh. Susanne hatte unruhig geschlafen, auf einem eisernen
Feldbett. Immerhin — Decken und Bettzeug waren sauber. Auf einem Schemel lag
ein Stoß ungelesener Wochenblätter. In der Ecke stand eine chemische Toilette,
tragbar und fabrikneu.
    Susanne saß auf dem Bettrand.
Sie fröstelte und hängte sich eine Decke um die Schultern. Auf dem Holztisch —
es gab auch einen wackligen Stuhl — standen noch die Reste des Abendessens:
eine Flasche Malzbier, Schwarzbrot, Salami, ein Glas Rohkost-Salat und — als
alberner Versuch, die Mahlzeit ansehnlich zu machen — drei Plastikbecher mit
unterschiedlicher Dessertcreme.
    Susanne hatte kaum was
angerührt.
    Sie entsann sich an den
Überfall — am Freitagnachmittag auf dem abgeschirmten Parkplatz nahe der
Neuzeit-Chemie. Hinterrücks hatte man sie — Susanne — mit Chloroform betäubt.
Hier war sie aufgewacht. Niemand hatte seitdem mit ihr geredet. Jedesmal wenn
die schwere

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