Wer hat Tims Mutter entführt?
berührt.“
„Tödlich?“
„Das nicht. Aber lähmend.“
„Morgen abend“, sagte Mortius,
„werden wir drei mit dem Jungen zum Essen gehen. Das macht einen guten
Eindruck. Schließlich müssen wir uns um ihn kümmern. Vielleicht dämpft das sein
aggressives ( angreiferisches ) Verhalten. Und ganz nebenbei horchen wir
ihn aus.“
Edith zog eine Schnute. „Muß
ich da mit?“
„Auf deine Gegenwart“, lächelte
Mortius, „lege ich allergrößten Wert. Es soll ja auch für mich ein Spaß sein.“
17. Die Señores sind abgereist
Karl hatte in seiner
Reisetasche gewühlt, kam jetzt aus Tims Zimmer zurück und schwenkte ein
Fläschchen mit farbloser Flüssigkeit.
„Gleich werdet ihr staunen“,
verkündete er, „und euch fragen, ob ich über den sechsten Sinn, über Vorahnung
verfüge. Leider nein. Daß ich trotzdem diese Banozifa in meinem kleinen
Chemie-Labor gemixt und mitgebracht habe, berührt auf einer einfachen
Überlegung.“
„Banozifa?“ erkundigte sich
Klößchen. „Klingt wie ein Mittel gegen Gedächtnisschwäche. Wieviel Tropfen muß
man da nehmen? Und vor allem: vor oder nach den Mahlzeiten?“
„Banozifa“, erklärte Karl, „ist
meine Abkürzung und bedeutet Banknoten-Zinker-Farbe. Übrigens meine Erfindung.
Und deshalb so gut. Was zinken ist, wißt ihr. Das alte Wort für Zeichen. Zum
Beispiel, indem man Spielkarten auf der Rückseite zeichnet, besser gesagt
kennzeichnet. In betrügerischer Absicht. Mit meiner Mixtur können wir
Geldscheine zinken.“ Tim stieß einen Pfiff aus. „Du meinst das Lösegeld.“
„Richtig. Als ich erfuhr, daß
deine Mutter verschwunden ist, habe ich gleich an Entführung gedacht. Und an
Lösegeld-Erpressung.“
„Stark, Karl. Wie funktioniert
die Banozifa?“
„Ein paar Tropfen auf jeden
Schein genügen. Unter gewissen Umständen fängt er dann an, rötlich zu
schimmern.“
„Und wie sind diese Umstände?
Muß man den Scheinins Feuer
halten?“
Karl lachte. „Man muß ihn durch
eine rußgeschwärzte Glasscherbe angucken. Ich weiß auch nicht, warum das so
ist. Bin zufällig darauf gekommen. Jedenfalls funktioniert es. Ich will euch
nicht mit der chemischen Zusammensetzung langweilen. Möglicherweise eignet sich
die Brühe auch als Haarwuchsmittel, zur Haltbarmachung von Teerpappe und als
Frostschutz für Pferde- und Rinderhufe.“
„Wunderbar“, meinte Tim. „Aber
es wird schwierig sein, immer eine rußgeschwärzte Scherbe mit sich zu führen.
Vielleicht sollten wir uns entsprechende Monokel herstellen und ans Auge
stecken, wenn ein Verdächtiger die Blauen und Braunen rausnimmt.“
„Hähähäh!“ krähte Klößchen.
„Dann redet man bald von der Monokel-Bande, wenn man uns meint. Wie trägt man
so eine halbe Brille? So ein Einglas? Im linken oder im rechten Auge?“
„Brille!“ rief Tim.
„Sonnenbrille. Karl, geht’s auch damit?“ Der Gedächtniskünstler war verblüfft.
„Keine Ahnung. Probiert habe ich’s noch nicht.“
Tim zog sein Portemonnaie aus
der Hosentasche und nestelte einen 20-Mark-Schein hervor.
Geglättet lag die Banknote auf
dem Tisch.
Alle blickten gespannt, als
Karl die kleine Flasche öffnete. Er drückte die Zeigefingerkuppe an die
Öffnung, benetzte die Haut. Dann strich er über die Banknote, malte ein X.
„Einen Moment muß sie
eintrocknen, meine Banozifa.“ Währenddessen holten Tim und Gaby ihre
Sonnenbrillen. Schon als Tim seine aufsetzte, sah er einen rötlichen Schimmer
auf dem Schein.
„Unglaublich!“ rief Gaby. „Ein
pinkfarbenes X.“
„Phantastisch!“ Tim reichte
Karl die Sonnenbrille. „Es funktioniert.“
Klößchen äugte durch Gabys
Sonnenbrille und äußerte sich lobend über die Farbe.
„Karl!“ sagte Tim. „Ich ernenne
dich zum Erfinder des Jahres. Wenn wir heute abend die Banknoten zinken, haben
wir später — nach Susannes Freilassung — eine Riesenchance, die Kidnapper zu
finden. Wenn nicht wir, dann die Polizei. Denn der müssen wir natürlich
Bescheid geben. Wie lange hält die Zinker-Farbe? Verblaßt sie?“
„Leider“, Karl nickte betrübt,
„schon nach drei bis vier Tagen.“
Tim verschluckte einen Fluch.
„Trotzdem — es lohnt sich. Wir müssen uns eben beeilen.“
„Das gilt auch für den heutigen
Abend“, sagte Gaby. „Wenn du um sechs Uhr das Geld erhältst, gegen halb sieben
zurück bist und um elf aufbrechen mußt zur Übergabe — haben wir etwa
viereinhalb Stunden zum Zinken.“
„Das reicht“, meinte Klößchen.
„Die halbe
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