Wer hustet da im Weihnachtsbaum? (German Edition)
klebten Mehl und Zucker und Eigelb.
Mama strich sich eine Strähne aus der Stirn und schmierte sich dabei Teig ins Haar. Sie leckte ihren Finger ab und verzog das Gesicht.
«Auweia, wir haben den Zimt vergessen.»
«Dann backen wir eben nur Sterne», sagte Luzie. Sie saß auf dem Küchentisch und hielt ein Backbuch in der Hand – natürlich verkehrt herum, denn sie geht in die erste Klasse und kann noch nicht richtig lesen.
«Du kommst aber spät, Hannes», sagte Mama.
«Ich war nach der Schule noch kurz bei Tom, und dann hab ich eben Frau Moll getroffen.» Ich schwenkte das Schlüsselbund. «Den hat sie mir gegeben, ich soll bei ihr gießen, solange sie verreist ist.»
«Und den Vogel, hat sie dir den auch gegeben?», fragte Luzie. Ich rollte drohend mit den Augen und fuhr mir mit der Handkante über den Hals. Luzie versteckte ihr Gesicht schnell hinter dem Backbuch.
Dann versuchte ich ein Lachen. «Stimmt, Luzie. Ich muss echt einen Vogel haben, dass ich ja gesagt habe. Die hat da drüben mindestens dreihundert Töpfe, und jeder braucht anderes Wasser.»
«Es gibt aber nur ein Wasser», schniefte Luzie hinter ihrem Buch.
«Von wegen», sagte ich und steckte meinen Finger in die Teigschüssel. «Es gibt destilliertes Wasser und Wasser mit Kohlensäure und kalkhaltiges Wasser und …»
«Du kannst uns helfen, Sterne auszustechen», unterbrach mich Mama und rollte den Teig aus.
Wir haben Sterne ausgestochen, Luzie und ich, aber sie blieben auf dem Tisch kleben, weil Mama vergessen hatte, vorher Mehl daraufzustreuen. Am Ende waren die Zimtsterne nicht nur ohne Zimt, es waren auch keine Sterne mehr, sondern kleine Kugeln. Wir haben in jede noch eine Mandel gesteckt. Als sie aus dem Ofen kamen, waren sie zwar ziemlich hart, haben aber gar nicht schlecht geschmeckt, nach Weihnachten irgendwie.
«Stihille Nacht!», grölte Luzie. «Heimliche Nacht –»
«Das heißt nicht heimliche, sondern heilige Nacht», sagte ich.
«Was ist eine heilige Nacht?», fragte Luzie.
Während Mama Luzie zum hundertsten Mal die Weihnachtsgeschichte erzählte, schlich ich mich rüber in die Wohnung von Frau Moll, um nach Bubi zu schauen. Der Fressnapf war noch fast voll, und mir fiel ein, dass Tom etwas von Petersilie gesagt hatte.
«Du bekommst morgen welche, versprochen», sagte ich zu Bubi. Dann legte ich ihm das Tuch über den Käfig.
«Schlaf gut, mein Bübchen.»
Auf Zehenspitzen ging ich aus der Wohnung. Ich hatte einen Vogel … ich hatte ein Tier für mich ganz allein! Ein schöneres Weihnachtsgeschenk konnte es nicht geben.
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2. Kapitel
Heimliche Nacht und unheimliche Geräusche
H eiligabend ist bei uns jedes Jahr gleich: Wir holen den Baum vom Balkon, den Papa wie immer auf den letzten Drücker gekauft hat, weil er glaubt, dass er dann billiger ist. Mama meckert, weil ihr der Baum immer zu breit oder zu hoch oder zu sonst was ist, und Papa flucht, weil er nicht in den Ständer passt.
Dann müssen Luzie und ich in unsere Zimmer, Mama schmückt den Baum, und Papa zündet die Kerzen an.
Nach einer Ewigkeit klingelt dann das Glöckchen, und wir dürfen endlich unsere Geschenke auspacken.
Nach der Bescherung gibt es Kartoffelsalat mit Würstchen und jede Menge Plätzchen, wobei die meisten davon gekauft sind. Mama kann echt gut kochen, aber Backen ist nicht so ihr Ding.
Irgendwann schläft Luzie unter dem Baum ein, mitten in einem Berg von Pappkartons und Einwickelpapier.
Papa und Mama gehen zur Mitternachtsmesse, und ich schaue mir in Ruhe meine Geschenke an.
Bis zum Kartoffelsalat mit Würstchen verlief auch alles wie sonst. Ich wartete darauf, dass Luzie einschlief und Papa und Mama zur Kirche gingen, denn ich konnte es gar nicht erwarten, Bubi mein Weihnachtsgeschenk zu geben. Am Morgen hatte ich ihm schon zur Feier des Tages einen Hirsekolben gebracht, aber was würde er wohl zu dem Rasselball sagen, den ich für ihn im Zoogeschäft gekauft hatte?
Leider wurde Luzie an diesem Abend überhaupt nicht müde. Als Papa und Mama die Wohnung verließen, lief sie immer noch putzmunter mit ihrem funkelnagelneuen Arztkoffer durch die Wohnung und bestand darauf, mir eine Spritze zu geben und den Blutdruck zu messen. Dabei schüttelte sie sorgenvoll den Kopf und sagte mit verstellter Stimme: «Wir müssen Sie sofort operieren, sonst sind Sie tot.» Ich musste mich aufs Sofa legen, mein T-Shirt ausziehen, und Luzie rief: «Der Blutdruck fällt! Sein Herz bleibt stehen! Her mit dem
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