Wer im Trueben fischt
Bauakte angesehen. Sie war auf der richtigen Spur.
Bohmann, Heinrich, las sie. Führender Architekt im Berlin der Nachkriegszeit. Mitarbeiter am Entwurf einer neuen Stadtstruktur im zerstörten Berlin. Höhepunkt seines Schaffens waren die sogenannten Punkthochhäuser im Hansaviertel: das Sterne-Hochhaus, das Hansa-Haus und das Panther-Haus. Sie blickte hoch. Das Panther-Haus!
»Reicht Ihnen das?«
Emma sah strahlend in das fragende Gesicht der Archivarin.
»Ja! Danke!«
Eilig lief sie raus. Draußen auf den Eingangstreppen blieb sie stehen und zog ihr Telefon aus der Tasche.
»Haarms, BerlinDirekt.«
Was machte denn der Frühredakteur immer noch im Sender?
»Ist Schneider da?«
»Zu Tisch.«
Mist. Emma stieß nervös mit der Fußspitze gegen die Stufe.
»Kannst du ihn nicht holen? Ich hab jetzt doch noch das Gefühl, wir könnten über den Rosenberg-Fall …«
»Das Thema ist tot. Haste doch gehört.«
Aufgelegt! Wütend schnappte Emma nach Luft und verschreckte damit einen Besucher, der eben die Treppe zum Archiv hinaufstieg. Sie lief zu ihrem Rad und schloss es auf. Keine zwanzig Minuten brauchte sie zum Sender. Sie sicherte das Rad und lief an Menschen mit Einkaufstüten vorbei die Rolltreppe hoch. Oben riss sie die Tür zu Schneiders Zimmer auf. Es war leer. Im Redaktionsraum waren die Plätze verwaist, nur Markus Haarms saß an einem Schreibtisch und starrte auf das Telefon vor ihm. Seine Augen waren so klein wie Stecknadeln.
»Wo ist die Redakteurin?«
»Im Studio. Wieso rufen diese scheiß Presseleute von der S-Bahn eigentlich nie zurück? Ohne Bestätigung ist die Geschichte viel zu dünn!«
Wer will dich schon anrufen, dachte Emma. Laut fragte sie:
»Schneider?«
»Immer noch essen.«
Emma drehte sich auf dem Absatz um und lief den Gang herunter Richtung Kantine. Nach ein paar Metern wurde ihr Schritt langsamer. Was, wenn auch ihre Geschichte noch zu dünn war? Was wusste sie denn? Der Tote hatte in seinen letzten Tagen nach einem Ehepaar Rosenberg, vermutlich seinen Großeltern, recherchiert. Die Rosenbergs waren 1933 geflüchtet, der Mann, Carl Rosenberg, war ein führender Bauunternehmer gewesen und hatte mit den Leuten vom Bauhaus zusammengearbeitet.
Als Information reichte das für ein kurzes Gespräch, sicher nicht für eine Sondersendung. Und konnte sie jetzt mit hundertprozentiger Sicherheit behaupten, es handelte sich bei dem Ehepaar um die Großeltern des Toten?
Emma war auf dem Flur stehen geblieben. Ein Student aus der Postabteilung überholte sie. Er bugsierte seinen schweren Wagen mit den vielen Fächern um sie herum und sah ihr neugierig ins Gesicht. Emma nahm ihn nicht wahr. Sie drehte sich um und lief zurück ins Büro.
»Frau Emma Vonderwehr, suchen Sie wieder die Toilette?«
Sie hatte sich zu Blume durchstellen lassen. Hatte gehofft, dass er sich an sie erinnerte. Sie lachte erleichtert.
»Diesmal bin ich eher auf der Suche nach Neuigkeiten. Wie weit sind Sie in dem Fall Rosenberg?«
Emma hörte durch das Telefon Stimmen im Hintergrund, eine Tür klappte. Als Blume wieder sprach, wirkte er abgelenkt.
»Warum sollte ich Ihnen das erzählen?«
Emma schaute nach vorn. Haarms saß drei Schreibtische weiter und starrte noch immer auf das Telefon. Sie zwang sich, den Blick von ihm abzuwenden.
»Ich schlage Ihnen einen Handel vor. Ich erzähle Ihnen, was ich herausgefunden habe. Und Sie sagen mir dann, was Ihnen die Information wert ist.«
Pause. Dann sagte Blume leise:
»Sie spielen gern, oder?«
Emma blätterte in ihren Notizen.
»Tom Rosenberg hatte deutsche Wurzeln. Seine Großeltern lebten bis 33 in Berlin. Miriam und Carl Rosenberg. Ich vermute jedenfalls, dass es sich um seine Großeltern handelt.«
»Tut es. Sagt jedenfalls das Koblenzer Bundesarchiv.«
Emma stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und machte sich eine Notiz am Rand. Sie fragte:
»Was ist mit dem angeblichen Freund, dem Professor, den er treffen wollte?«
Emma hörte, wie sich Blume eine Tasse zu trinken einfüllte. Tee oder Kaffee?
»Ein Treffen scheint stattgefunden zu haben, jedenfalls hat Rosenberg den Termin in seinem Kalender notiert. Die beiden kennen sich von einem Gastjahr an der New Yorker Universität.«
»Worum ging es bei dem Gespräch?«
Blume trank geräuschvoll aus seiner Tasse.
»Waldreich behauptet, es wäre ein reiner Höflichkeitsbesuch gewesen. Händeschütteln, auf gute Zusammenarbeit und so. Aber können Sie ihn das nicht selber fragen?«
»Er ist übers
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