Wer im Trueben fischt
Razzien war wirklich Zufall. Ich will bestimmt nicht in deinem Fachgebiet wildern. Mich interessiert nur, ob sie tatsächlich die Mörder sind. Ist das eine so gewaltbereite Truppe?«
Bente lehnte sich zurück und trank noch einen Schluck aus dem Pappbecher.
»Ich hab die mal erlebt. Bei einer Demo.«
Emma schaute sie an, blieb still. Bente stellte den Kaffee auf den Schreibtisch. Jetzt sah sie angespannt aus.
»Die Rechten hatten eine Demo angemeldet, irgendwas gegen Ausländer und mehr Sicherheit auf unseren Spielplätzen. Und angemeldet ist eben angemeldet. Die Polizei musste diese dreißig Leutchen vor rund tausend Linken schützen, die zur Gegendemo angetreten waren. Und wir mit dem Ü-Wagen mittendrin.«
Bente nahm wieder einen Schluck. Sie verzog das Gesicht, als schmeckte der Kaffee plötzlich nicht mehr.
»Die Rechten haben nur so geschlottert. Da ist der Chef durch die Reihen gegangen. Einem hat er den Arm um die Schultern gelegt. Und einem anderen in die Seite geboxt. Und dabei hat er geredet, die ganze Zeit.«
Bente schaute hoch, in Emmas Augen.
»Danach standen die wie eine Eins. Sind durch die pfeifenden Linken, ohne einen Blick zur Seite.«
Emma schluckte. Bente sah sie noch immer an.
»Für den würden die alles tun, glaub ich.«
»Weißt du, wie der Typ heißt?«
Sofort wurde Bentes Blick wieder wachsam.
»Du dürftest ihn sowieso nicht nennen. Der ist Unternehmer, das ist Rufschädigung.«
Emma ließ das Thema fallen. Sie dachte an das Treffen im Jüdischen Museum. An die Männer mit den langen Haarlocken vor dem Gebäude. Laut sagte sie:
»Es gibt so viele Juden in der Stadt. Warum er?«
»Er war streitlustig. Prominent. Er hat deutsche Akademiker angegriffen.«
Bente trank den letzten Schluck und warf den Pappbecher Richtung Mülleimer. Er fiel daneben. Sie zuckte mit den Schultern.
»Es sind schon Leute für weniger umgebracht worden.«
D ie Livesendung verlief gut. Die Moderatorin schlug die Fragen wie Pingpong-Bälle zwischen ihnen hin und her, Emma und Bente antworteten präzise, und doch wirkte das Gespräch leicht wie eine Unterhaltung zwischen Freunden. Schneider stand mit verschränkten Armen im Regieraum. Er sagte nichts, als sie gingen, aber sein anerkennender Blick ruhte auf den beiden Mitarbeiterinnen.
Emma packte ihre Sachen in die Tasche und verließ grüßend das Großraumbüro. Zum ersten Mal seit langem lockerte sich der Druck um ihre Brust. Sie fuhr schnell die Kantstraße Richtung Mitte hinunter und genoss den warmen Wind auf ihrem Gesicht. Am Zoo kramte sie ihren Pocket-Stadtplan aus der Hosentasche. Luftlinie zum Alex einmal durch den Tiergarten. Emma zögerte einen Moment, dann schaute sie auf ihre Armbanduhr. Warum nicht? Es war erst kurz nach fünf. Zeit für einen Teebesuch bei einer alten Dame. Als sie wieder losfuhr, spürte sie, dass sie sich freute, Martha Steiner wiederzusehen.
D ie kreisende Nachttischlampe warf Schatten von Flugsauriern außen an die Zeltwand. Blume saß mit Johann im Indianerzelt und spielte Memory.
Er drehte zwei Karten um, sie ergaben kein Paar. Johann deckte die eine schnell wieder auf und beugte sich weit vor, um das Gegenstück zu greifen. Mit einem Lächeln packte er das Kartenpaar auf seinen Stapel, während seine Augen schon wieder prüfend über die restlichen Karten fuhren. Blume betrachtete seinen Sohn. Er ist so schön, dachte er. So klug.
»Was spielt ihr denn in der Schule?«
Johanns Lächeln verschwand. Er zog die Stirn kraus und griff nach zwei verschiedenfarbigen Karten.
»Johann?«
Der Junge drehte die Karten wieder um und nickte mit dem Kinn zu der Spielfläche.
»Du bist dran.«
Blume drehte um, wieder kein Paar. Johann schaute mit glasigem Blick auf die Zeltwand.
»In der Schule spielen wir nicht. Wir lernen.«
»Und in den Pausen?«
Der Schatten eines Tyrannosaurus lief über die Plane. Johann fuhr ein Stück mit dem Finger nach.
»Ich kenn da doch keinen.«
Erstaunt sah Blume von dem Spiel hoch. Johanns Unterlippe zitterte. Blume streckte die Hand aus.
»Komm mal her.«
Johann kuschelte sich in die Arme seines Vaters. Blume streichelte ihm über das weiche Haar.
»Gibt’s denn da andere Kinder, mit denen du gerne spielen würdest?«
Johann nickte.
»Zwei aus meiner Klasse. Der eine heißt Jacob. Aber die stehen auch immer nur so rum.«
Es klopfte an die Tür. Katrin kam herein und kniete sich vor den Zelteingang.
»Seht ihr überhaupt was bei dem Licht?«
Sie stand wieder
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