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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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auf.
    »Essen ist fertig. Wäschst du dir die Hände, Johann?«
    Johann sah seinen Vater an. Blume hielt seine Hand fest und flüsterte.
    »Nimm einen Ball mit. Und dann kickst du ein bisschen rum. Vor den anderen Jungs. Die spielen bestimmt mit.«
    Johann sah ihn zweifelnd an, aber er nickte. Dann krabbelte er aus dem Zelt und lief an seiner Mutter vorbei aus dem Zimmer. Blume kroch ihm nach und stand auf. Stöhnend fuhr er sich über die schmerzenden Kniegelenke. Katrin lachte.
    »Wenn du magst, kannst du mitessen.«
    Blume dachte an Norbert, der unten am Herd stand, und schüttelte den Kopf.
    »Ich muss los.«
    Schweigend gingen sie die Treppe herunter, Katrin voran. Sie hatte ihr helles Haar zusammengebunden und ihren Pullover um die Hüfte geknotet. Ihr verwaschenes T-Shirt hatte einen grünen Farbfleck am Ärmel. Blume kannte niemanden, der in solchen Sachen so elegant aussah wie seine Exfrau.
    »Warum sind seine Freunde aus dem Kindergarten nicht bei ihm in der Schule?«
    Katrin zuckte mit den Schultern, sagte, es gäbe so viele Schulen, und hielt lächelnd die Haustür auf. Blume rief einen Abschiedsgruß nach oben zu Johann, aber nichts rührte sich. In der Küche wurde das Radio ausgemacht. Das ganze Haus schien zu lauschen. Katrin hob die Hand und strich einen Staubfussel von seinem Jackett. Mitten in der vertrauten Bewegung erstarrte sie und lachte verlegen.
    »Nächste Woche ist es sicher schon besser. Du kannst ihn Donnerstag holen, wenn du willst.«
    Blume nickte und trat vor die Tür. Mit einem leisen Klicken schloss sie sich hinter ihm. Oben hörte er die Klospülung und dann den Wasserhahn rauschen. Das Radio ging wieder an. Katrins Absätze klapperten über den Holzboden. Sie sagte etwas zu Norbert, und der antwortete mit seinem tiefen Bass.
    Blume ging den Kiesweg entlang zu seinem Auto.

N un?«
    Die alte Dame, heute in hellblau, öffnete die Tür nur einen Spalt. Falls Emma gedacht hatte, sie würde nach dem gestrigen Tag freundlicher empfangen, hatte sie sich getäuscht. Im Fahrstuhl hatte sie versucht, ihr Haar mit Spucke zu bändigen. Jetzt sah sie aus wie eine Krähe im Regen.
    »Ich finde, Sie sind mir eine Revanche schuldig.«
    Martha Steiner verzog spöttisch die Mundwinkel. Aber gleich darauf stahl sich doch ein Lächeln in ihre Züge. Noch einen Augenblick schien sie zu zögern, dann öffnete sie ihre Tür etwas weiter und ging auf ihren Stock gestützt voraus. Über die Schulter sagte sie zu Emma:
    »Ziehen Sie Ihre Schuhe aus. Meine Angestellte hat gestern das Wohnzimmer stundenlang mit Putzkram vollgestellt.«
    Emma zerrte gekonnt mit den Füßen die Hacken aus ihren Turnschuhen und schüttelte sie ab. Auf Socken betrat sie das Panoramazimmer, in dem die alte Frau bereits das Damespiel hochfuhr. Emma blickte sich suchend um.
    »Wo ist denn Ihre Hilfe?«
    Martha Steiner nahm ein Buch von dem Couchtisch. Emma fiel auf, dass sie heute viel beweglicher wirkte. Sie ging mit festem Schritt zum Regal. Über die Schulter sagte sie:
    »Ich hab sie entlassen.«
    Sie sortierte das Buch ein und fuhr sanft über die Einbände.
    Emma fragte sich, warum sie ihr gestern so zerbrechlich erschienen war. Vielleicht, weil sie die Hilfe für eine Pflegerin gehalten hatte?
    »Wer füttert denn jetzt die Vögel?«
    Martha drehte sich erstaunt zu Emma um.
    »Wieso füttern?«
    »Na, gestern …«
    »Ach so.«
    Martha Steiner lachte ihr heiseres Primaballerinalachen.
    »Nein, nein. Der einzige Vogel, den ich besitze, muss nicht gefüttert werden.«
    Sie ging zu der golden schimmernden Skulptur zwischen den Sesseln und fuhr mit der Hand die Form nach, ohne die Figur zu berühren.
    » L ’ oiseau d ’ or , der goldene Vogel, wenn auch aus Bronze.«
    Emma trat einen Schritt näher heran. Die Figur war wie ein abstrakter schlanker Körper, der sich nach oben schraubt.
    »50er Jahre, nehme ich an?«
    Martha sah mit versonnenem Blick darauf.
    »Bei Brancusi mache ich eine Ausnahme. Er hat den Vogel schon Ende der 40er Jahre geschaffen. Sehen Sie, wie alles auf die Bewegung konzentriert ist. Keine Abbildung von Flügeln oder Federn, nur der Drang zu entkommen.«
    Sie wandte ihren Kopf zu Emma.
    »Tee?«
    Emma nickte, während sie weiter den bronzenen Vogel betrachtete. Es stimmt, dachte sie erstaunt, je länger man ihn anschaut, desto mehr glaubt man, dass er gleich losfliegen wird.
    Martha war schon in der Küche verschwunden und rief laut:
    »Fassen Sie ja nichts an!«
    Emma fuhr zurück. Ihr Blick fiel auf die

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