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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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Blicke im Rücken. Nur die Touristen sind hier nett, dachte sie.
    Der Geldautomat ließ sich Zeit, als müsste er sich erst überlegen, ob sie kreditwürdig war. Sollte sie im Sender um einen Vorschuss bitten? Ein Mann schnäuzte sich ausgiebig. Er stand dicht hinter ihr. Bei mir gibt’s nicht viel zu holen, dachte Emma. Die Klappe öffnete sich, sie nahm ihr Geld. Der Mann schaute auf sein Taschentuch. Emma steckte die Scheine achtlos in die Hosentasche.
    Löslicher Espresso, Salz, Butter, Knäckebrot und chinesische Tütensuppen stapelten sich in ihrem Einkaufskorb. Emma hielt der Verkäuferin das Geld hin. Sie stand in dem kleinen chinesischen Supermarkt. Im Imbiss nebenan waren alle Stühle besetzt. Sie hatte eine Weile an dem Durchgang zum Geschäft gestanden und dem Jungen mit dem Irokesenhaarschnitt zugeschaut. Er war langsam, die Leute wurden ungeduldig. Ein Mann brüllte über die Theke nach seinem Essen. Emma nahm Messer, Gabel und Löffel von dem Plastikgeschirr und steckte es in ihre Tasche.
    Die Verkäuferin im Supermarkt hielt ihr das Wechselgeld hin. Sie lächelte, ohne sie anzusehen. Vielleicht war sie die Mutter von dem Jungen nebenan.
    Als sich die Türen des Fahrstuhls öffneten, sah Emma Penelope. Das Mädchen presste ihr Ohr an ihre Wohnungstür. Sie trug heute einen rosa Trainingsanzug mit zwei weißen Streifen. Asidas, haben wir das genannt, dachte Emma. Sie erinnerte sich an ein dickes Mädchen, das sie mit den anderen gehänselt hatte.
    »Hallo Penelope!«
    Das Mädchen richtete sich auf und pustete eine Strähne aus der Stirn.
    »Ich wollte dich besuchen.«
    »Das sehe ich.«
    Emma schloss die Tür auf. Penelope stapfte ihr voraus in die Wohnung. Prüfend blickte sie in alle Ecken und nickte dann.
    »Bei dir weiß man nie, ob du da bist oder nicht.«
    Emma stellte die Einkäufe auf den Tisch.
    »Wieso?«
    »Weil du keinen Fernseher hast.«
    Emma füllte Wasser in den Wasserkocher und stellte ihn an. Sie riss eine Tütensuppe auf. In dem Moment fiel ihr ein, dass sie keine Teller hatte.
    »Penelope, könntest du mir einen Teller leihen? Oder eine kleine Schüssel?«
    Das Mädchen strahlte sie an.
    »Klar!«
    Sie flitzte davon. Emma ging zur Tür und horchte. Sie hörte das Klacken der Wohnungstür. Leises Gemurmel, dann stand die Kleine wieder vor ihr. In ihrer Hand hielt sie einen tiefen Teller mit Blütenrand.
    »Kannste behalten. Erst mal.«
    »Danke.«
    Emma schüttete den Inhalt der Tüte in den Teller und goss heißes Wasser darüber. Der Raum füllte sich mit dem Geruch von Geschmacksverstärkern.
    »Ist deine Mutter drüben?«
    Penelope war auf einen Stuhl geklettert und begutachtete die Einkäufe.
    »Nö.«
    »Mit wem hast du denn gerade gesprochen?«
    »Du kaufst aber komische Sachen. Warte mal.«
    Schon war sie wieder weg. Emma rührte mit ihrem Plastiklöffel in der Suppe.
    »Hier.«
    Auf der ausgestreckten Kinderhand lag eine Vitamintablette. Der Schweiß hatte sie am Rand dunkel gefärbt.
    »Vitamine sind wichtig.«
    Emma nahm die Tablette und legte sie vorsichtig auf den Tisch.
    Penelope sagte:
    »Auch Salat und Gemüse. Du ernährst dich nicht gut.«
    Emma nickte.
    »Du hast Recht. Danke.«
    Sie schluckte.
    »Das ist mein erstes Geschenk in Berlin.«
    Penelope trat von einem Bein auf das andere. Emma wusste nicht, ob das Mädchen verlegen war oder auf die Toilette musste.
    »Freundlichsein ist wichtig, sagt Heidi.«
    »Ist das deine Mutter?«
    Penelope lachte überrascht.
    »Nee, Heidi Klum mein ich.«
    »Ach so.«
    »Ich will Model werden.«
    Penelope stellte sich auf die Zehenspitzen und ging schaukelnd durch das Zimmer. Kurz vor der Wand warf sie ihre Arme hoch, verteilte Kusshände an ihr Publikum und drehte sich schwungvoll um. Emma legte ihren Plastiklöffel beiseite und applaudierte.
    »Also ich würde dich buchen.«
    Penelope strahlte. Dann erstarrten ihre Züge.
    »Ich muss rüber!«
    Emma warf einen Blick auf ihr Handy. Es war kurz vor sieben.
    »Abendessen?«
    »Da kommt was übers Schminken.«
    Fernsehen, dachte Emma. Das Gemurmel eben. Laut sagte sie …
    »Na dann danke für deinen Besuch.«
    Ihre Tür fiel ins Schloss.
    Langsam aß sie die Suppe. Dann füllte sie ihren Zahnputzbecher mit Wasser. Die Tablette drehte sich immer schneller, während sie sich auflöste.
    Später am Abend klingelte ihr Handy. Sie schaute auf die angezeigte Nummer und drückte auf die Annahmetaste.
    »Hallo Helene.«
    Ihre Mutter lachte nervös.
    »Wie geht es dir.«
    »Ich arbeite

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