Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
nicht auch die Hells Bells zu hören bekomme. Wenn ich mich beeile, könnte ich noch vor Mitternacht neben Luisa im Bett liegen, stelle ich nach einem Blick auf Barnies Oyster Perpetual fest.
»Was? Jetzt schon heim?« Barnie reagiert entsetzt, als ich ihn in meinen Plan einweihe. Wir schlendern mit zehntausend Gleichgesinnten durch den Olympiapark Richtung U-Bahnhof. Der Abend sei noch zu jung und wir noch viel zu nüchtern, um schon ins Bett zu gehen.
»Wenn ich jetzt nicht gehe, bekomme ich richtig Ärger.«
Barnie schüttelt verwundert seinen Kopf. »Von wem?«
»Von Luisa natürlich.«
»Was bist du gleich wieder? Mann oder Memme? Wolf oder Schaf? Angus Young oder Alexander Klaws?«
Ich sollte mich nicht auf diese Psychospielchen einlassen. Barnie gewinnt immer. Barnie ist vom Fach. Und Barnie weiß ganz genau, wo er mich packen muss. Ich spiele For those about to rock auf meiner Luftgitarre. Barnie grölt dazu: »We salute you!«
Wir steigen an der Münchner Freiheit aus und gehen noch auf einen Absacker in eine Kneipe, genauer gesagt in Barnies zweites Wohnzimmer. Ich finde, ein Mann sollte, ja muss sogar, ein Stammlokal haben. Einen Ort, wo man verstanden wird, auch ohne große Worte. Einen Ort, wo man bekannte Gesichter sieht, am besten immer dieselben. Einen Ort, den man jederzeit wieder verlassen kann, aber nicht muss.
Ich habe kein Stammlokal mehr, seit ich mit Luisa zusammenwohne. Luisa geht zwar gerne aus, abends nach der Arbeit eine Kleinigkeit essen oder trinken, aber nie in dieselben Lokalitäten. Luisa ist ein Ausprobierer, ich ein Festhalter. Was Andenken betrifft, ist es genau umgekehrt. Luisa ist ein Behalter, ich ein Wegwerfer. »Aber dieses Bild habe ich doch zum zwölften Geburtstag von meiner Cousine geschenkt bekommen!« Geschenk hin oder her: Deshalb muss es ja noch lange nicht im Wohnzimmer hängen. Vor allem, wenn es scheußlich ist. Letzte Woche konnte ich sie immerhin dazu bewegen, das Allerscheußlichste in einen Karton zu verpacken und in den Keller zu bringen. Unser Keller ist jetzt voll mit Andenken. Dafür stehen meine Langlaufski im Schlafzimmer.
»Und?«, fragt Barnie nach dem ersten langen Schluck.
»Und was?« Wie ich diese Und-Fragen hasse. Ich weiß genau, worauf er anspielt. Und Barnie weiß genau, dass ich weiß, worauf er anspielt. Trotzdem könnte er doch einmal, ein einziges Mal bloß, eine vollständige Frage stellen.
»Diese Schnapsidee!«
»Ich würde eine Heirat nicht grundsätzlich als Schnapsidee bezeichnen. Es gibt Beispiele, die funktionieren.«
»Nenn mir drei.«
»Keine Lust.«
»Weil du nicht kannst.«
Nach dem dritten Glas übermannt mich das schlechte Gewissen. Ich sage zu Barnie, ich müsste mal für kleine Mädchen, steuere die Herrentoilette an und sperre mich in einer Kabine ein. Auf meinem Handy tippe ich eine Kurznachricht für Luisa. Hallo Süße. Ich liebe dich. Bis später! Ich drücke auf Senden . Noch im selben Moment bereue ich es. »Idiot!«
Eine Liebesbotschaft via SMS zu senden, ist bei genauerer Betrachtung das Erbärmlichste, was ein Mann tun kann. Nichts gegen einen Strauß Blumen, nichts gegen eine schöne Kette, nichts gegen Karten für die Oper, aber Liebes-SMS gehen gar nicht. Nun ist das Kind aber schon im Brunnen. Vor Barnie werde ich so tun, als sei nichts geschehen.
Als ich zu unserem Tisch zurückkomme und mich gerade setzen will, fängt es in meiner Hose zu vibrieren an.
»Dein Dildo«, weist mich Barnie freundlicherweise auf den Anruf hin.
Ich hole das Handy aus der Hose und blicke aufs Display. Es ist Luisa. »Hallo«, melde ich mich möglichst neutral.
»Wo steckst du?«
Ich nenne Luisa Namen und Adresse des Lokals.
»Okay, bis gleich.«
»Was?«, brülle ich entsetzt, höre aber nur noch ein elektronisches Piepen.
Zehn Minuten später kommt Luisa zur Tür herein. Sie trägt ihre supersexy schwarze Hose und einen eng anliegenden grünen Pullover. Im Schlepptau hat sie diesen Mike. Ich ahne Böses. Wenn Barnie auf Mike trifft, könnte das eine Kettenreaktion auslösen, an deren Ende die Vernichtung der Welt steht. Ich muss alles mir Mögliche tun, um einen Zusammenprall zu verhindern. Leider fehlt mir die Zeit. Luisa und Mike stehen bereits vor uns. Zum Abhauen ist es zu spät.
»Darf ich vorstellen – Mike.« Luisa lächelt triumphierend.
Barnie wirft mir einen vielsagenden Blick zu. Ich wende mich schnell ab, springe zackig auf und küsse meine Freundin, die aber nicht zurückküsst.
»Setzt
Weitere Kostenlose Bücher