Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
euch«, sage ich mit gespielt guter Laune. »Ich hoffe, ihr hattet eine schöne Lesung.«
»Lesung?« Barnie verdreht die Augen.
»Und wie war’s?«, frage ich besänftigend.
»Verlorene Zeit«, antwortet Barnie ungefragt. Er ist in Lästerlaune.
Herzlichen Dank auch. Für das Funkeln in Luisas Augen. Wer noch nie einen Vulkan kurz vorm Ausbruch gesehen hat, müsste jetzt nur meine Freundin anschauen. Ich erwarte das Schlimmste und kalkuliere Verluste ein.
Luisa
Ich bin sauer. Und ich habe unglaublich viel Spaß dabei. Spaß, weil ich weiß, dass die beste Rache an Mark und Barnie für frauenvergessene Männerkumpanei gerade neben mir steht und kreischt: »Marky Mark! Hallooooooo! Wir haben uns ja ewig nicht gesehen!« Dabei reicht meine Wunderwaffe die Hand zum Gruß, als erwarte sie einen Handkuss.
Natürlich kennt Mark all die Geschichten von den Frauen, die Mike flachgelegt hat. Er glaubt sie aber nicht. Oder er denkt, Mike übe heterosexuellen Geschlechtsverkehr nur als Alibi aus, um seine wahren Vorlieben zu verbergen. Der Gute gilt bei den beiden Herren hier also als überschwul und dank seiner touchy Art auch als ein wenig gefährlich. Ich sehe Ärger und Fluchtreflex in Barnies Augen und lasse mich entspannt auf einen Stuhl sinken. Dabei würdige ich den Mann meines Lebens keines Blickes.
Ich hatte einen sehr angenehmen Abend mit Mike, ein paar leckeren Lachshäppchen und einer französischen Lyrikerin. Eigentlich bin ich bestens gelaunt. Aber das braucht Mark nicht zu wissen, denn er soll sich ruhig schuldig fühlen, dass er bei kulturellen Veranstaltungen regelmäßig kneift. Ein Mal im Jahr zerre ich ihn ins Theater, aber das Stück sollte dann wenigstens witzig und bitte nicht zu lang sein, damit er nicht einschläft. Was für ein Banause! Wahrscheinlich würde er diese Abende lieber mit einem Lustigen Taschenbuch auf der Couch verbringen, während sein Gehirn allmählich im Schädel verwest.
Bei der netten Bedienung bestelle ich ein Bier, Mike einen Mai Tai. Barnie schaut erst auf den Kellnerinnenhintern, dann griesgrämig vor sich hin und bemüht sich, möglichst nah zu seinem einzigen Verbündeten Mark zu rücken. Der versucht derweil, gut Wetter zu machen: »Ich bin ja halb taub vom Konzert, AC/DC sind wirklich total laut! Ihr hattet es bestimmt viel ruhiger, was?«
Ich habe wenig Lust, mich zu unterhalten, aber mein kunstbeflissener Kollege springt sofort darauf an. »Hach, es war sagenhaft! Was für ein Sprachgefühl diese Frau hat, was für eine tiefsinnige Metaphorik! Und Französisch ist einfach die Sprache, die mein Herz zum Klingen bringt …«
Wahrscheinlich erwägt Barnie gerade, sich in seinem Bier zu ertränken. Mark dagegen gibt sich echt Mühe, nickt freundlich und fragt an den richtigen Stellen nach. Dabei helfen ihm sicher die vorübergehende Schwerhörigkeit und der Alkoholkonsum, trotzdem bin ich ein bisschen gerührt. Mein grimmiger Blick muss sehr furchteinflößend sein, wenn Mark sich plötzlich so gut benimmt. Gut für ihn. Sonst hätte ich morgen früh spontan Marie eingepackt und wäre mit ihr nach Sylt geflogen.
Barnie nimmt einen tiefen Schluck, fixiert mich und fragt: »Wie geht’s Marie?«
Zwei Dinge daran stören mich. Zum einen scheint er ein talentierter Gedankenleser zu sein, zum anderen hat Mark mir erst vor Kurzem erzählt, dass Barnie sich nicht an Maries Namen erinnern könnte. Scheint sich eher um einen Coolness-Beweis unter Männern gehandelt zu haben.
»Der geht’s gut!«, sage ich und unterschlage dabei die zwei Kerle, deretwegen sie seit der Affäre mit Barnie Liebeskummer hatte. Dass sie in Liebesdingen seit Jahren nur Pech hat, braucht der Sack wirklich nicht zu wissen. »Und dir so, Barnie?«
»Ja, geht schon. Muss ja.« Er schaut in seinen Bierschaum, mit Pokerface.
»Was machen deine Patienten?«
»Saufen. Depressionen haben. Ihre Mütter hassen.«
Ah ja. Da diese Konversation an Esprit kaum noch zu überbieten ist, halte ich lieber den Mund und höre beim Duo formidable zu: Mark trumpft gerade damit auf, welche französischen Filme er zuletzt gesehen hat. Dank mir, übrigens. Sogar mit dem Namen der Autorin der Romanvorlage kann er aufwarten. Anna Gavalda. So ein Angeber.
Mike ist hellauf begeistert und sieht aus, als hätte er gerade seinen verschollenen Seelenverwandten zufällig bei McDonald’s getroffen. Als er vorschlägt, man könne doch mal einen Männerabend im Kino machen, entgleisen Mark die Gesichtszüge.
»Ja, ähm.
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