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Wer ist der andere, Alissa

Wer ist der andere, Alissa

Titel: Wer ist der andere, Alissa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ginna Gray
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die Kaffeemaschine zu gießen, erstarrte er mitten in der Bewegung. Sein Blick war wie gebannt auf den Koffer gerichtet, der im Gang stand.
    Er wandte sich langsam zu Alissa um. "Du verreist?"
    Alissa versuchte sich herauszuwinden. "Eigent..." Ihre Stimme versagte, und Alissa räusperte sich. "Eigentlich ... wollte ich gerade aus dem Haus, als du kamst. Ich fahre zu meiner Schwester. Sie und ihr Mann Roger haben die Farm meiner Eltern übernommen. Sie leben in dem Haus, in dem ich und meine Geschwister aufgewachsen sind. Es gehört zur Familientradition, dass wir uns zu Weihnachten alle dort versammeln."
    "Ach so. Und warum hast du mir vorher nichts davon erzählt? Weihnachten ist ja schon in sechs Tagen."
    "Ich habe mich eben kurzfristig entschlossen. Da du Weihnachten nie erwähnt hast, habe ich vorausgesetzt, dass du beschäftigt sein würdest." Irgendwie schämte sich Alissa jetzt, dass sie Dirk einfach übergangen hatte.
    "Ich mache kein großes Getue um das Fest", erwiderte Dirk sachlich. "Ich habe keine Familie, also wäre es sinnlos, mich groß darum zu kümmern."
    Das verblüffte Alissa so sehr, dass sie ihre Probleme vergaß. Es hatte zwar Gelegenheiten gegeben, bei denen sie ihn nach seiner Familie ausgefragt hatte, aber, wie ihr jetzt klar wurde, er war den Fragen immer geschickt ausgewichen. "Du hast niemanden? Überhaupt keine Familie?"
    "Stimmt."
    "Keine Brüder und Schwestern? Keine Eltern?"
    "Nein."
    "Nicht einmal eine Tante oder eine entfernte Cousine?"
    "Nein. Es ist niemand da." Offensichtlich war er verärgert über ihre Fragen.
    Alissa starrte Dirk an. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es war, keine Familie zu haben. Sie und ihre Geschwister stritten manchmal miteinander - über alles, angefangen bei der Politik bis hin zu der Frage, wer das Fernsehprogramm bestimmte. Und zeitweise gingen sie einander mächtig auf die Nerven. Aber sie waren eine Familie, und sie liebten sich alle, mit all den Fehlern und Schwächen, die sie nun einmal hatten. Alissa mochte gar nicht daran denken, wie einsam ihr Leben ohne ihre Familie wäre.
    "Wann also wolltest du mir mitteilen, dass du vorhattest zu verreisen? Wenn ich nicht gekommen wäre, wärst du bereits fort gewesen."
    "Ich, äh ... ich wollte dich heute Abend von Callie aus anrufen."
    Dirk starrte sie an, sah, wie sie puterrot wurde. "Warum gibst du dir überhaupt noch die Mühe zu lügen, Alissa? Du bist nicht gerade gut darin."
    "Ich bin nicht ..." Ein zynischer Ausdruck in seinen Augen brachte sie zum Schweigen, und sie verzog das Gesicht, als sich ihre Wangen stärker röteten. "Oh, also gut. Ich hatte nicht vor, dich anzurufen. Ich ... ich musste eine Weile von hier weg. Um nachzudenken."
    "Ach so." Dirk zog die Augenbrauen zusammen. "Dein Nachdenken ... betrifft das uns?"
    Alissa sagte kein Wort. Sie brauchte es auch nicht. Die Antwort stand ihr im Gesicht.
    "Was ist heute geschehen?"
    Die Frage überraschte sie. Alissa hatte sie überhaupt nicht von ihm erwartet. "Ich ... ich weiß nicht, was du meinst."
    "Gestern Abend beim Abschied und auch heute Morgen im Büro kamst du mir ganz glücklich vor. Und dann komme ich am frühen Nachmittag von einer Verhandlung mit einem Kunden zurück und muss herausfinden, dass du geradezu panisch aus der Firma geflohen bist.
    Es muss doch in der Zwischenzeit etwas passiert sein, sonst passt das einfach nicht zusammen."
    Dass Dirk so rasch und so dicht an die Ursache ihres Kummers herangekommen war, hätte Alissa nicht überraschen dürfen. Dirk entging nichts, und sein scharfer Verstand konnte ein Problem schneller erfassen als ein Computer.
    Sie sah ihn an, war hin und her gerissen. Einerseits wollte sie einfach den Kopf in den Sand stecken und sich vor der Auseinandersetzung drücken. Andererseits wollte sie Dirk zur Rede stellen, von ihm eine Erklärung zu dem Gerücht, das sie gehört hatte, verlangen. Aber dafür war sie einfach noch nicht bereit. "Dirk, ich habe dafür keine Zeit. Ich ... ich muss jetzt gehen." Sie drehte sich abrupt um und wollte den Koffer holen.
    "Geh nicht, Alissa."
    Seine weiche Stimme ließ sie innehalten. Sie wandte sich ihm wieder zu und sah ihn mit großen Augen an.
    "Bitte, ich möchte nicht, dass du gehst", wiederholte er ruhig. So hatte sie Dirk noch nie zuvor gehört. Er beobachtete sie aufmerksam, als ob er aus ihrer Körpersprache, dem Ausdruck ihrer Augen oder des Gesichtes, bereits die Antwort ablesen wollte. "Bleib hier. Bei mir. Wir verbringen Weihnachten zusammen.

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