Wer Ja sagt, muss sich wirklich trauen
über Sie zu reden. «
Panda spürte, dass er sich langsam entspannte …
Bis zum Novemberbeginn hatte Lucy sich in Boston und ihrer neuen, gemieteten Wohnung im Stadtteil Jamaica Plain eingelebt. Wenn sie nicht an ihrem Buch schrieb, war sie bei der Arbeit, und obwohl sie chronisch übermüdet war, hätte sie nicht dankbarer für ihren neuen Job und das volle Tagesprogramm sein können.
» Was geht Sie das an? « Die Siebzehnjährige, die ihr auf der Couch gegenübersaß, grinste spöttisch. » Sie wissen null über mich. «
Der würzige Duft von Tacos wehte in das Sprechzimmer herüber aus der Küche, in der jeden Tag Mahlzeiten an ungefähr fünfzig obdachlose Jugendliche ausgegeben wurden. Die Anlaufstelle in Roxbury bot außerdem Duschen, einen kleinen Waschraum, eine wöchentliche medizinische Versorgung und sechs Berater, die den Ausreißern, Couchsurfern und Straßenkindern, darunter die Jüngsten erst vierzehn, halfen, eine Unterkunft zu finden, zur Schule zu kommen, ihren Abschluss nachzuholen, einen Sozialversicherungsausweis zu erhalten und sich für einen Job zu bewerben. Manche ihrer Schützlinge hatten Probleme mit Alkohol und Drogen. Andere, wie dieses Mädchen mit den schönen Wangenknochen und den traurigen Augen, waren vor schlimmem körperlichem Missbrauch geflohen. Die Berater in der Anlaufstelle kümmerten sich um seelische Probleme, medizinische Probleme, Schwangerschaft, Prostitution und alles andere dazwischen.
» Und wessen Problem ist es, dass ich nichts über dich weiß? « , fragte Lucy.
» Niemandes Problem. « Shauna sank tiefer in die Couch, mit mürrischem Gesicht. Durch die Scheibe in der Tür konnte Lucy ein paar der anderen Jugendlichen sehen, die die Halloweendekoration abnahmen: fliegende Fledermäuse, schwarze Pappmaché-Hexen und Skelette mit rot funkelnden Augenhöhlen.
Shauna musterte Lucys kurzen schwarzen Lederrock, die heiße pinkfarbene Strumpfhose und die flippigen Stiefel. » Ich will meine alte Betreuerin zurückhaben. Die war viel netter als Sie. «
Lucy lächelte. » Nur, weil sie dich nicht so bewundert hat wie ich. «
» Jetzt wollen Sie mich verarschen. «
» Nein. « Lucy legte sanft die Hand auf den Arm des Teenagers und fuhr leise zu sprechen fort, wobei sie jedes Wort ernst meinte. » Du bist eins der großartigen Geschöpfe des Universums, Shauna. Tapfer wie ein Löwe, schlau wie ein Fuchs. Du bist eine Überlebenskünstlerin. Was soll man daran nicht bewundern? «
Shauna zog ihren Arm weg und musterte Lucy misstrauisch. » Sie haben einen Knall, Lady. «
» Ich weiß. Der Punkt ist, du bist ein echter Champion. Das denken wir alle. Wenn es dir ernst damit ist, deinen Job zu behalten, weiß ich, dass du herausfinden wirst, wie du das anstellen musst. Und jetzt geh. «
Das empörte Shauna. » Was meinen Sie mit ›Und jetzt geh‹? Sie sollen mir helfen, meinen Job zurückzubekommen. «
» Und wie soll ich das machen? «
» Indem Sie mir sagen, was ich tun soll. «
» Ich habe keinen Schimmer. «
» Was meinen Sie damit, Sie haben keinen Schimmer? Ich werde Sie bei der Leiterin anzeigen, und die wird Sie hochkant rausschmeißen. Sie haben null Ahnung. «
» Nun, das mag sein, schließlich bin ich erst seit knapp einem Monat hier. Wie kann ich es besser machen? «
» Indem Sie mir sagen, was ich tun muss, um meinen Job zu behalten. Zum Beispiel dass ich immer pünktlich sein soll und nicht respektlos zu meinem Chef … « Während der nächsten Minuten belehrte Shauna Lucy, indem sie die Empfehlungen, die sie von anderen Beratern erhalten hatte, wiederholte.
Als sie schließlich zum Ende kam, nickte Lucy bewundernd. » Wow. Du solltest die Beraterin sein, nicht ich. Du machst das gut. «
Shaunas Feindseligkeit verschwand. » Finden Sie wirklich? «
» Definitiv. Wenn du deinen Schulabschluss geschafft hast, denke ich, kannst du dich in vielen Berufen auszeichnen. «
Als Shauna sich verabschiedete, war es Lucy gelungen, wenigstens eins der Probleme des Teenagers zu lösen. Es war nur eine Kleinigkeit, aber die stellte für ein obdachloses junges Mädchen eine riesige Hürde dar. Shauna besaß keinen Wecker.
Lucy ließ den Blick durch das leere Sprechzimmer mit seiner verschlissenen, gemütlichen Couch, dem bequemen Sessel und dem graffitiinspirierten Wandgemälde schweifen. Dies war die Arbeit, für die sie bestimmt war.
An jenem Abend machte sie sich später als gewöhnlich von der Arbeit auf den Nachhauseweg. Während sie zu ihrem
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