Wer Liebe verspricht
Atem verbunden. Unter seiner sich heftig hebenden und senkenden Brust wurde ihre Wange an die rauhen Stoppeln gepreßt. Er fuhr mit der Hand ihren Rücken entlang und drückte sie noch mehr in sich. Aufbegehrend entflammte sie. Die Empfindungen waren so klar und durchdringend wie züngelndes Feuer. Sie schrie auf, aber er unterband ihren Protest mit Küssen, und ihr Wimmern wurde von Worten ertränkt, die ihr fremd waren. Der Klang dieser Worte war ursprünglich, universal, wild und wunderbar, denn sie wußte, sie sprachen von Liebe. Wie ein Musikinstrument, das zum ersten Mal gestimmt wird, wurde ihr Körper lebendig. Die tastenden, zärtlichen, glühenden Finger entlockten ihr eine Musik, die sie noch nie gehört hatte. Sie wußte nicht, welche Gipfel sie auf dieser ersten Reise überirdischer Entdeckungen noch erklimmen würde, aber sie ahnte, es würden viele sein. Samtige Fingerspitzen drangen suchend in sie ein und fanden die feuchte schimmernde Perle ihres innersten Wesens, den Kern ihrer Fraulichkeit, und Olivia geriet in Zuckungen des Wahnsinns.
»Nein, nicht mehr …«, schrie sie in unerträglicher Raserei, »bitte … hab Erbarmen, Geliebter …«
Für den Bruchteil einer Sekunde ruhte seine Hand. In seinen Augen zeigte sich wieder Unsicherheit. Er sah sie an und zögerte. Dann vergrub er mit hilflosem Stöhnen das Gesicht an ihrer Schulter. »Es wird weh tun, mein Engel. Wie kann ich dir das ersparen …«
Sie legte die Arme um seinen Hals und drückte ihn an sich. »Ich liebe dich, Jai. Ich liebe dich mehr als mein Leben«, flüsterte sie leidenschaftlich. »Ich werde keinen Schmerz empfinden, das verspreche ich dir, Geliebter …«
Der Schmerz kam, aber nur einmal, und traf sie wie eine Messerspitze, der Schlag einer Peitsche. Er war vergessen, noch ehe er vorüber war, denn mit ihm wurde Olivia auf dem Kamm einer unbeschreiblichen Welle zur Frau. Vergangenheit und Zukunft verschwanden. Es gab nur noch das Hier und das Jetzt jenes Augenblicks, der sich zur Unendlichkeit ausdehnte. Ihre Körper verschmolzen, vereinigten sich und bewegten sich in einem Rhythmus, der so alt und so andauernd ist wie die Zeit. Seine Liebe wurde fordernd, sein Bedürfnis, sie zu besitzen, heftig und unersättlich. Mit jedem Eindringen nahm er mehr und mehr von ihr in seinen Besitz. Olivia weidete sich daran, reagierte darauf, antwortete mit ihrer Freude, mit Tränen und Staunen. Als ihr Stöhnen zu heftig wurde, begütigte er sie mit Küssen. Als sie die köstliche Qual nicht länger ertragen konnte, besänftigte er sie mit unvermuteter Zärtlichkeit. Aber als sein Höhepunkt nahte, öffnete sich vor ihm ein neuer gefährlicher Abgrund des Zweifels. Sie legte die Beine um ihn und verbot ihm stumm, sich zurückzuziehen.
Gib mir etwas, gib mir wenigstens jetzt etwas von dir …!
Der Größe ihrer Selbstaufgabe war er nicht gewachsen. Er war nicht stark genug und zu sehr Mann, um ihre stumme Aufopferung abzulehnen. Wie eine Sturzflut ergoß sich sein Wesen, die Lebenskraft seiner Männlichkeit in sie, überflutete, erfüllte und füllte sie bis in die kleinsten Winkel ihres Körpers. Olivia rang glücklich nach Luft, dann zuckte sie wieder und wieder und wurde in Bereiche jenseits der Wirklichkeit geschleudert. Unbekannte Zonen, die hoch über der Zeit und dem Raum lagen, blendeten sie mit der einmaligen Vollkommenheit des Augenblicks. Und dann schwebte sie langsam, sanft, zärtlich bebend in den Weiten eines namenlosen Vergessens. Es war wie ein kurzer Tod.
Sie schwebte über die hohen Gipfel einer unbeschreiblichen Zufriedenheit in ein traumloses Tal – den schönsten Ruheplatz erfüllter Liebe.
Noch ehe sich ihre Körper voneinander lösten, war sie eingeschlafen.
Eine Minute verging, vielleicht auch eine Stunde oder ein Tag. Als Olivia benommen und schläfrig die Augen wieder aufschlug, lag Jai neben ihr auf dem Bauch. Seine Wange ruhte auf einem Arm, das Gesicht lag auf der Seite. Sie schluckte und war von Gefühlen überwältigt. Die Augen füllten sich mit Tränen. Sie streichelte zärtlich und liebevoll die sehnigen Schultern. Sie legte ihm die Wange auf den Rücken und flüsterte: »Ich liebe dich.«
Er bewegte sich, drehte sich um und nahm sie in die Arme. Er wiegte sie. Ihre Lippen drückten sich in die Einbuchtung seines Halses. Sie hauchte einen Kuß und betastete den silbernen Anhänger, den er um den Hals trug. Sie hatte noch nie in ihrem Leben so vollkommene Zufriedenheit und Heiterkeit erlebt.
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