aufladen, wenn sie leer sind. Nur unser Hausmeister hat seins immer an, den können wir bei einem Notfall also rund um die Uhr erreichen. Die Nummer bekommen wir später. Er ist noch nicht aufgetaucht, weil er heute auf dem Festland Baumaterial für einen Zaun besorgen muss.
Es gibt noch mehr Regeln: keinerlei Kontakt zu den Tieren. Kein Leichtsinn im Umgang mit ihnen. Höchste Genauigkeit bei den wissenschaftlichen Beobachtungen. Und das Wasser sollen wir nur abgekocht oder gefiltert trinken.
Na gut, so kann man mal zwei Wochen lang leben. Ich zumindest.
Anschließend mussten wir uns alle in einen Küchendienstplan eintragen, der im Flur aushängt. Und dann gab es Mittagessen: Spaghetti, von Sonja und Knut gekocht. Sie schmeckten ein bisschen nach Maus.
19.00 Uhr Ich sitze unter der großen Linde vor dem Inselhaus, trinke selbstgemachten Holunderblütensirup und lasse mir die Abendsonne auf die Nase scheinen. Die anderen sind schwimmen gegangen, aber ich wollte nicht mit. Bin gerade voll gechillt und froh, endlich mal allein sein zu können.
Maiken und Helge sind auch noch hier, aber die stören mich nicht. Sie rumoren gerade im Schuppen hinterm Haus und suchen Bierbänke. Die beiden wollen nämlich fürs Abendprogramm eine Art Biergarten aufbauen, mit Bewirtung und Live-Musik. Helge spielt den Kellner und Maiken spielt Gitarre, so haben sie sich das gedacht.
Ich bin froh, dass sie selbst spielen und nicht schon wieder Spiele mit uns machen wollen. Davon habe ich so langsam genug. Wir haben nämlich den ganzen Nachmittag lang gruppendynamisch gespielt. Erst hatten unsere Biologen eine Schnitzeljagd für uns vorbereitet, bei der wir die Insel kennenlernen sollten, »ein Abenteuer für alle Sinne«, das war das Motto. Wir mussten barfuß durch Schmodder waten, auf wackelige Hochsitze klettern, in hohlen Bäumen nach Zetteln tasten und Pflanzen an ihrem Geruch identifizieren. Pfefferminze habe ich geschafft, Bärlauch auch. Aber an Kerbel und Liebstöckel bin ich gescheitert.
Zusammen haben wir dann die Auerochsen und die Pferde beobachtet. Das war grandios! Wenn man vom Hochsitz aus beobachtet, wie die Herden aus dem Wald brechen und über eine Wiese ziehen, bleibt einem glatt die Luft weg. Man kommt sich vor wie in der Steinzeit.
Auf einer idyllischen Lichtung im Wald haben wir nachmittags gepicknickt und gebadet. Das Wasser ist toll, ich wollte gar nicht mehr raus. Musste ich aber, wir haben dann nämlich wieder Spiele gemacht. Grmpf. Wir mussten uns mit verbundenen Augen durch den Wald führen lassen, uns gegenseitig interviewen und zum Schluss mussten wir tanzen. Alle zusammen. Barfuß auf der Wiese, mit Gänseblümchen im Haar, zu Maikens Gitarrengeklampfe. Kein Witz!
Ich war so was von froh, dass hier keiner sein Handy anschalten darf, denn wenn es von diesem Tanz Fotos gäbe, könnte man Millionenbeträge von uns allen erpressen!
Ich habe ja die ganze Zeit innerlich geschimpft wie ein Rohrspatz, aber eins muss ich zugeben: So viel Natur um mich herum hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht, und das war gar nicht so schlecht. Irgendwie sogar heilsam. Ich fühle mich jetzt viel wohler auf dieser Insel und die Krabbelviecher machen mir nicht mehr so viel aus. Harri sagte, man müsse nur ganz viel Knoblauch essen, dann würden sie abdrehen, wenn man kommt. Okay, das mache ich. Vielleicht dreht so auch Vicky ab, wenn ich komme. Die wird nämlich gerade tierisch anhänglich. Typisch. Kaum ist Tom weg, wanzt sie sich an Maiken und mich ran.
19.28 Uhr Hach, mir geht’s gut!!! Der ganze Stress der letzten Woche ist weg. Die Insel ist echt wie eine Oase für mich, ich kann hier alles und jeden vergessen. Mein früheres Leben kommt mir schon jetzt unwirklich vor wie ein Traum. Über mir im Baum singt eine Amsel. Von fern hört man ein Boot tuckern, aber das Geräusch wird leiser und leiser. Jetzt ist es halb acht und über den See klingen Kirchturmglocken zu mir herüber. Die Welt ist schön.
19.33 Uhr Hey, da hinten kommt ein Typ mit einer Kamera den Weg vom Bootssteg hoch. Das ist bestimmt unser Hausmeister. Was filmt der denn da?
19.35 Uhr Von Weitem sieht er ein bisschen aus wie Tom.
19.36 Uhr Mist, ich wollte doch nicht mehr an Tom denken.
19.37 Uhr Von Nahem sieht er auch aus wie Tom.
19.38 Uhr Tom???
Betreff: Insel des Schreckens
Datum: 11.06., 21:33 Uhr
Von: Tom Barker <
[email protected] >
An: Felix von Winning <
[email protected] >
So. Hier der erste