Wer liebt mich und wenn nicht warum
Film.
Bald mehr von
Tom
Auf dem Bildschirm erscheint ein unscharfer grüner Fleck. Das Bild wird klar und man erkennt ein Blatt. Ein großes grünes Seerosenblatt, das auf dem Wasser schwimmt. Eine Ente gleitet vorüber, gefolgt von zehn Küken, die aufgeregt piepsen.
»Test, test, test«, sagt Toms Stimme. Und dann: »Okay, alles klar.«
Die Kamera schwenkt weg vom Wasser und Toms Gesicht erscheint ganz nah vor der Linse, seine Nase wirkt dadurch unnatürlich groß. »Hi, Felix«, ruft er und kommt noch näher. Ein übergroßes Tom-Auge blinzelt ins Bild. Dann weicht er zurück und man sieht ihn richtig.
»Na, Mister X? Diddl-Maus ist jetzt also doch auf der Insel.
Aber nicht, weil du Druck gemacht hast, sondern weil dieser Job supergut bezahlt ist und weil sie hier auf der Insel ohne Hausmeister im wahrsten Sinne des Wortes knietief in der Kacke stecken würden! Seit der Typ krank ist, der den Job vorher gemacht hat, wurden nämlich die Kanister unseres Insel-Camping-Klos nicht mehr geleert und das darf ich nachher tun. Und morgen wieder. Jeden Tag. Brrr. Das ist allerdings das Einzige an meiner Arbeit, das mir im wahrsten Sinne des Wortes stinkt. Die anderen Aufgaben sind ganz okay. Zu meinem Job gehört es, jeden Tag von der Insel aufs Festland zu schippern und die Einkäufe abzuholen: Futter, Getränke, alles, was man so braucht. Ich muss das nicht selbst einkaufen, ich bringe eine Liste zu Walter, dem Besitzer des Campingplatzes, und er besorgt die Sachen im Laufe des nächsten Tages. Auf seinem Campingplatz leere ich dann auch die Klo-Kanister.
Heute habe ich den ganzen Tag geschuftet wie ein Auerochse. Ich war mit Walter im Baumarkt, Zaunpfähle kaufen. Wir haben sie eben mit dem Motorboot auf die Insel gebracht und an allen drei Landungsstegen welche abgeladen. Übrigens: Ich war am Steuer, yeah!
Walter ist ein toller Typ, so ein Alt-Hippie, sieht aus wie Gandalf. Er ist der Meinung, man solle sich und anderen das Leben nicht unnötig verkomplizieren. Also macht er es mir leicht. Ich darf in seinem Büro die Akkus für meine Kamera aufladen. Und wenn ich mit meiner Arbeit fertig bin, kann ich sein WLAN nutzen und dir die Filme in die Cloud laden, da kannst du jederzeit darauf zugreifen. Als Gegenleistung räum ich ihm seinen Computer ein bisschen auf, da ist vieles nichtmehr auf dem neusten Stand. So wird auch sein Leben ein bisschen unkomplizierter.
Morgen fange ich mit meiner eigentlichen Aufgabe an: Ich soll rund um die gesamte Insel Pflöcke in den Boden hauen. Im Winter wollen die hier nämlich einen Elektrozaun spannen, sonst gehen die Kühe aufs Eis, wenn der See zufriert.«
Jetzt grinst Tom. »Der Hausmeister-Job ist viel besser als das Praktikum, das die anderen machen. Ich kann mich richtig auspowern, ich bekomme Geld dafür und habe sogar ein Einzelzimmer. Das ist der Joker!«
Die Kamera schwenkt nach links und zeigt eine Bucht. Ein paar Boote liegen hier umgedreht auf einem Sandstrand, umrahmt von Schilf und Gebüsch.
»Da irgendwo ist der Weg zu unserem Haus. Ich muss den morgen früh noch freischneiden, bevor ich mit dem Zaun anfange. Jetzt gehe ich da aber erst mal hoch und begrüße die anderen, sie müssten längst da sein. Bin gespannt, was sie sagen, wenn sie mich sehen.«
Das Bild bebt, Tom hat sich in Bewegung gesetzt, während er weiterspricht. Man sieht nur noch schwankendes Schilf. »Ich vermute, dass die Mädels sauer sind, weil ich ihnen nichts von meinem Job erzählt habe. Hätte ich echt tun sollen. Wollte ich aber nicht, ich wollte sie überraschen. Jep, ich bin ein Feigling. Na, denn man los. Du darfst live dabei sein, wenn sie mich massakrieren.«
Jetzt öffnet sich das Schilf, man sieht große Bäume und darunter ein altes Haus. Die Fensterläden hängen schief in den Angeln. Die Tür steht offen. Unter einem großen Baum vor dem Haus stehen ein Tisch und ein paar Stühle. In einem sitztein blondes Mädchen mit Pferdeschwanz. Sie trägt Shorts und ein leuchtend blaues T-Shirt und schreibt etwas in ein Buch. Lilia.
Jetzt sieht sie auf. Sie greift nach der Sonnenbrille auf ihrer Nase und schiebt sie sich in die Haare. Sie legt den Kopf schräg und blinzelt gegen das Licht.
Die Kamera kommt näher und näher, man kann inzwischen Lilias Gesicht erkennen. Sie runzelt fragend die Stirn. Dann werden ihre Augen schmal und sie sieht wütend aus. Aber nur kurz. Die Stirn wird wieder glatt, auf einmal wirkt Lilia komplett ratlos. Sie hebt die Hände und lässt sie
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