Wer liebt mich und wenn nicht warum
spucken.
»Aber nicht auf die Kröte«, mahnte Harri. »Neben dem Trog sitzt abends nämlich oft eine Erdkröte, also bitte aufpassen.«
Die Toilette, ein Holzhäuschen, das man über einen weiteren Trampelpfad durch Brennnesseln erreicht, liegt ein bisschen abseits vom Haus. Als Harri bei der Besichtigungstour einladend die Tür öffnete, rechnete ich mit einem ekligen Plumsklo. Und ich war fest entschlossen, sofort abzureisen, falls darin Ratten wohnen sollten und falls Harri uns bitten würde, sie vor jeder Benutzung mit einem Warnruf zu vertreiben. Aber ich hatte Glück. In dem Häuschen stand eine schneeweiße Campingtoilette aus Plastik, wie man sie in Wohnmobilen benutzt. Sie ist mit einer Chemikalie gefüllt, die widerlich süßlich riecht und garantiert jede Ratte verjagt. Jeden Abend fährt der Hausmeister mit dem Motorboot rüber an Land und entsorgt dort auf dem Campingplatz den Inhalt der Kanister. Ein Plumpsklo wäre auf Dauer eine zu große Belastung des Öko-Systems der Insel und auch unhygienisch, immerhin sind wir hier 14 Leute, da kommt schon was zusammen. Wenn wir unterwegs bei den Herden sind und mal müssen, dürfen wir aber ins Gebüsch gehen, sagte Harri, da verteilt sich das.
»Und noch was.« Er hob den Zeigefinger. »Wenn ihr nachts mal rausmüsst und hier jemand faucht und keucht, schreit nicht gleich um Hilfe. Hier wohnen nämlich ein paar Igel. Die machen oft solche Geräusche.«
»Dürfen wir wenigstens auch fauchen und keuchen, wenn wir im Dunkeln in einen Igel reintreten?«, fragte einer von den Elfern. Das war der Moment, in dem ich beschloss, nach 17 Uhr nichts mehr zu trinken.
Zuletzt zeigte Harri uns noch unsere Schlafplätze im Haus, ganz oben unterm Dach. Es gibt einen Raum für die Jungs mit hellblauen Vorhängen und einen für die Mädels in rosa. Auf einem der Mädchenbetten sah ich zwei Ohrenkneifer und ich glaube, da war auch ein kleines schwarzes Insekt, das weghüpfte, als es uns sah.
Die beiden Mädchen aus der Elften besetzten schnell die Betten am Fenster, für Maiken, Vicky und mich blieben nur noch zwei Stockbetten gleich neben der Tür. Mir war das ganz recht, ich wollte gar nicht am Fenster schlafen. Wer weiß, welches Getier nachts draußen an der Hauswand hockkriecht. Unsere Betreuer schlafen zwar ein Stockwerk tiefer und würden meine Schreie hören, aber ich habe das ungute Gefühl, dass sie mir im Notfall keine Hilfe wären. Falls mich ein Untier fressen sollte, würden die doch nur anhand der Kratzspuren bestimmen, um welche Spezies es sich gehandelt haben könnte. Dann würden sie einen Fachartikel über den Fall schreiben und ich würde einfach auf dem Kompost landen. Die Tiere waren schließlich zuerst da.
Okay, ich übertreibe. Keine Panik. Tiiiief durchatmen. Ötzi hatte schließlich auch tierische Mitbewohner. In seinem Fellmantel hat man Hirschlausfliegen und zwei Menschenflöhe gefunden und in seinem Darm lebten Peitschenwürmer. Aber er hatte es da schon ein bisschen leichter als wir heutigen Menschen, er kannte wenigstens noch keine Bilder von solchen Viechern aus dem Rasterelektronenmikroskop. Wer so ein Monster je in XXL gesehen hat, möchte mit ihm einfach nicht Unterwäsche oder Gedärm teilen.
Also echt, ich grusele mich hier gerade ziemlich. Wir haben jetzt eine Stunde Zeit, um unsere Koffer auszupacken und es uns gemütlich zu machen. Ha! Gemütlich? Wie soll das gehen? Ich habe einfach meinen Rucksack in den Schrank gestellt, so wie er ist. Der bleibt zu! Sonst kriechen noch Flöhe, Läuse, Kakerlaken, Milben, Motten, Egel, Würmer, Ratten und Lurche in meine Klamotten.
Nein, ich bin nicht neurotisch, ich bin nur realistisch. Dieses Haus ist ein Biotop. Und Menschen sind hier nur geduldet, weil sie eine prima Nahrungsquelle abgeben.
11.55 Uhr Maiken ist eben schon runter in den Hof gegangen. Sie will da ein Kennenlernspiel vorbereiten, das sie nach Absprache mit Herrn Welter für uns ausgeheckt hat.
Mir graut davor! Hoffentlich müssen wir uns kein Wollknäuel zuwerfen und dabei unsere Namen sagen, so wie mal im Konfirmationsunterricht.
Oder den anderen mitteilen, was wir uns von der Zeit auf der Insel erhoffen und was wir selbst dazu beitragen möchten. Brrr. Ich traue Maiken alles zu! Sie hat ja so ein gruppendynamisches Buch dabei.
Vielleicht ist es besser, wenn ich erst mal durchs Fenster einen Blick in den Hof werfe.
11.57 Uhr Waah! Maiken schleppt Stühle in den Hof und stellt sie kreisförmig auf. Ein
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