Wer lügt, gewinnt
beschäftigt hätte, daß Ronald ein paar Monate vor seinem Tod ein Bein verloren hatte. Sie haben es geprüft, sagte ich. Sie haben meinen Namen auf der Gästeliste des Plantagenhotels entdeckt, ich wurde zu mehreren Vernehmungen vorgeladen, ich habe erklärt, daß ich Fúlvia bei dieser Gelegenheit kennengelernt und dem Paar dabei geholfen hätte, zu einer Erste-Hilfe-Station zu gelangen. Zu der Zeit war unsere Beziehung noch nicht öffentlich bekannt, niemand wußte etwas von uns. Der Kommissar, der den Fall untersuchte, sah aus wie ein Depp, als er mitbekam, daß ich João Aroeira war. Seine Frau war ganz verrückt nach João Aroeira. Jedesmal, wenn ich zu dem Typen ging, um auszusagen, lagen fünf, sechs Bücher auf seinem Schreibtisch, die ich signieren sollte. Wenn meine Frau erfährt, daß Sie gar nicht der gutaussehende Kerl vom Buchumschlag sind, sagte er, wird sie völlig fertig sein. Er wurde mein Freund, der Kommissar. Er stellte mir ständig Fragen zu den symbiotischen Übungen, darüber, wie ich schriebe, woher ich meine Ideen nähme, er lud mich sogar mal zu Sylvester zum Churrasco ein. Nach einiger Zeit kannte ich alle Ermittlungsbeamten auf dem Kommissariat. Die Typen waren von mir begeistert. Das war es, was uns geholfen hat, sie haben es uns leichtgemacht, das ist die Wahrheit. Ich erwies ihnen auch ein paar Gefälligkeiten. Ganz diskret natürlich. Ein Fernseher zu Weihnachten, eine Stereoanlage, Dinge in dieser Art. Schlecht behandelt werden von diesen Kameraden nur die armen Schlucker, sagte Ingrid. Und? fragte ich, was hat das mit der Geschichte zu tun, die ich dir gerade erzähle? Das hat insofern damit zu tun, als die Polizei dich mit oder ohne Beweis auf jeden Fall ins Gefängnis gesteckt hätte, wenn du ein armer Schwarzer gewesen wärst, aber du warst João Aroeira, und die Frauen von Kriminalbeamten und Anwälten lesen João Aroeira, deshalb ist alles so gekommen, und Ronald vermodert da unten in der Erde, und diese Mörderin läuft frei herum und versucht, noch mehr Leute um die Ecke zu bringen. Wäre dir lieber, wenn sie mich verhaftet hätten? fragte ich. Nein, natürlich nicht, sagte sie. Du kannst ruhig die Wahrheit sagen, sagte ich, jetzt, wo du alles weißt, findest du, daß ich ein Mörder bin? Du warst nicht derjenige, der geschossen hat, sagte sie, du hast niemanden umgebracht. Ich bin Komplize, sagte ich. Komplize ist nicht gleich Mörder, sagte sie, Komplize ist Komplize. Und als ihr geheiratet habt, ist die Polizei da nicht mißtrauisch geworden? Als ich Fúlvia geheiratet habe, sagte ich, war Ronald schon seit einem Jahr tot, Fúlvia und ich haben kurz vor der Party bei Mirna geheiratet, weißt du noch, wo ich dich getroffen habe? Es war vor dieser Party. Ich bin bei meiner Aussage geblieben, aber wie schon gesagt, der Kommissar war mein Freund, ich habe es ihm erzählt, ich habe ihm gesagt, daß ich Fúlvia auf der Beerdigung ihres Mannes wiedergesehen hätte, ich hatte gehört, daß er gestorben war und bin zur Beerdigung gegangen, zur Messe am siebten Tag, und daß es danach, sechs Monate später, passiert sei, die Sache habe sich langsam entwickelt, wer hätte verhindern können, daß ein freier und ungebundener Mann und eine einsame Witwe sich ineinander verlieben? Verlieben, sagte Ingrid, hört sich ja geradezu an, als ob’s Liebe gewesen wäre. Verstehst du jetzt, warum ich Fúlvia nicht anzeigen kann? fragte ich, begreifst du nicht, wenn sie alles erzählt, könnte es sein, daß Ronalds Ermittlungsverfahren wieder aufgenommen wird. Ist gut, sagte Ingrid, du brauchst nichts weiter zu erzählen, ich habe schon begriffen, wir hängen mit drin wegen dieser Irren. Genau, sagte ich. Mitgefangen, mitgehangen. Einen Mann umbringen wegen dieser Lucrezia, sagte Ingrid. Mich packt die Wut, wenn ich nur daran denke, daß du das für sie getan hast.
Zwei Tage später kehrten wir in Ingrids Wohnung zurück. Da begann dann für mich die Hölle. Als erstes die Anrufe. Am Tag, in der Nacht, im Morgengrauen, Fúlvia rief alle naselang an und beschimpfte mich, drohte mir, sagte, sie würde mich umbringen, Ingrid umbringen, der Polizei erzählen, daß wir Ronald getötet hatten, sie würde Selbstmord begehen, ich bekam alle Arten von Drohungen zu hören. Anfangs ging ich ans Telefon. Da das Erscheinen meines Buches unmittelbar bevorstand, drehten sich alle meine Gedanken nur darum, einen Skandal zu vermeiden. Aber es bestand nicht die geringste Chance zu einem Dialog mit Fúlvia. Sie
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