Wer Mit Schuld Beladen Ist
bleierner, rauschender Taubheit. Selbstverständlich war er nicht davon ausgegangen, dass er von einem seiner eigenen Officer aufgegriffen – aufgegriffen! – wurde. Als würde er steckbrieflich gesucht! An der Fleischtheke im Supermarkt.
Zugegeben, Mark war gut. Er hatte Russ nach draußen in seinen Streifenwagen gedrängt, ehe er wusste, wie ihm geschah. Es war nicht so, dass es Russ störte, von jetzt auf gleich zum Dienst geholt zu werden. Das war ihm weiß Gott bereits oft genug passiert. Obwohl er sich nicht erinnern konnte, dass er schon mal einen halbvollen Einkaufswagen zurücklassen musste.
Nein, was ihn so aufbrachte, war Marks Weigerung, ihm zu erzählen, was los war. »Das darf ich nicht sagen« wurde zu »Ich weiß es ehrlich nicht«, das sich in »Ihre Vermutungen sind so gut wie meine, Chief« verwandelte.
Russ wusste, dass er Mark nervte, doch er konnte sich einfach nicht vorstellen, was für eine Situation erforderte, dass Mark ihn zum Revier schleifte, ohne selbst zu wissen, warum. Auch wenn das Undenkbare geschehen und einer seiner Männer verwundet oder getötet worden wäre, würde sich das über Funk verbreiten.
Das Funkgerät. Es war Teil eines eleganten rechnergestützten Informationssystems, das, vorübergehend abgeschaltet, unter dem Armaturenbrett angebracht war. Diese ganze Rechner-im-Auto-Geschichte verblüffte ihn nach wie vor. Vermutlich ein weiterer Beweis, dass er sich rapide dem Alter näherte, in dem man ihn auf einer Eisscholle ins Meer schieben sollte.
Er begann auf Knöpfe zu drücken. Rechner, Funkgerät, Monitor.
»Äh.« Mark schaute zu ihm herüber. »Ich glaube, das sollten Sie lieber nicht tun, Chief.«
»Guck auf die Straße. Ich will nicht im Graben landen.«
Marks Blick schoss nach vorn, aber seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf den kleinen Bildschirm, der soeben zum Leben erwachte. »Äh, Deputy Chief MacAuley hat mir absolute Funkstille befohlen.«
»Hat er das?« Russ griff nach dem Mikrofon. »Hat er auch gesagt, dass ich absolute Funkstille halten muss?«
»Nein … aber ich glaube, er …«
»Hatten Sie Befehl, mich zu verhaften, Durkee?«
Irgendwie gelang es Mark, Habtachtstellung einzunehmen, obwohl er hinter dem Steuer eines fahrenden Autos saß. »Nein, Chief!«
»Dann will ich dir mal erklären, wie das läuft. Lyle ist der Deputy Chief. Das bedeutet, er kann dir befehlen, was du zu tun hast. Ich bin der Chief. Das bedeutet, dass ich ihm sage, was er zu tun hat.« Der Bildschirm verlangte eine Dienstnummer, ehe er den Zugang freigab. Russ tippte seine eigene auf der winzigen Tastatur, die sich unter dem Bildschirm befand. Das System hieß ihn fröhlich piepend willkommen.
Er nahm das Mikro. »Zentrale? Hier spricht …« Er wandte sich an Mark. »Deine Wagennummer?«
»Fünfzig-vier-zehn.« Mark hatte entweder aufgegeben oder war genervt. Russ konnte es nicht feststellen.
»Hier ist fünfzig-vier-zehn auf dem Weg zum Revier. Ich hätte gern gewusst, warum ich nicht zu Hause bin und Suppe koche.«
Langes Schweigen war die Antwort.
»Zentrale?« Er zerrte das Mikro näher heran und kontrollierte es auf lose Kontakte.
»Chief? Sind Sie das?« Endlich. Harlene klang seltsam.
»Ja, ich bin hier. Und ich will wissen, was, zum Teufel, hier los ist.«
Erneut Schweigen. »Es ist …« Rauschen. »Ich glaube …« Statisches Knistern. »Kommen Sie einfach so schnell wie möglich. Zentrale Ende.« Harlene unterbrach die Verbindung.
Er starrte den Rechner an. Das hatte Harlene noch nie getan. Niemals. Er sprach ins Mikro. »Zentrale? Zentrale? Harlene?« Sie meldete sich nicht. »Verdammt, wenn das nicht das Seltsamste ist, das ich …« Er sah stirnrunzelnd zu Mark hinüber. »Soll das irgendein komplizierter Streich sein? Falls ja, werde ich garantiert nicht lachen.«
»Ehrlich, Chief, MacAuley hat mich angerufen und gesagt, ich soll Sie zum Revier fahren. Mehr weiß ich auch nicht.«
Jesus auf dem Fahrrad. Russ betete, dass Lyle sich nicht in den Kopf gesetzt hatte, ihn aufzuheitern. Er konnte sich gut vorstellen, was sein Deputy – ein seit langem geschiedener, selbsternannter Weiberheld – unter Aufmunterung verstand. Wahrscheinlich ein paar als Streifenpolizisten verkleidete Stripperinnen. Wenn davon auch nur ein Wort durchsickerte, konnte Russ dem Stadtrat seinen Kopf auf einem Silbertablett servieren.
»Wir sind da«, verkündete Mark hilfreich, während sie über den Streifen holperten, der den Parkplatz des Polizeireviers von
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