Wer Mit Schuld Beladen Ist
zerschlagen Herz« konnte sie vorweisen.
Sie zog Parka und Fäustlinge an und ging nach draußen, um ihren Wagen freizuschaufeln. Die Wolken hatten über Nacht ihren ganzen Schnee abgeladen und waren weitergezogen, und nun leuchteten die Morgensterne hell und klar am indigoblauen Himmel. Ihr nagelneuer Subaru, finanziert mit der Versicherungssumme und dem, was sie insgeheim als Blutgeld der Familie des Mannes betrachtete, der ihr letztes Fahrzeug zerstört hatte, war ein unförmiger weißer Haufen. Sie befreite Scheiben, Scheinwerfer und Türgriffe, dann nahm sie die Zufahrt hinter dem Auto in Angriff. Sie ging davon aus, dass zwei Spuren von ungefähr drei Meter Länge ausreichten, damit ihre Reifen griffen und die restliche Strecke den langen, schmalen Weg hinunter schafften. Im Kofferraum ruhten zwei Fünfundzwanzig-Liter-Säcke Katzenstreu, und auf dem Rücksitz lag ihre eigene Schneeschaufel. Damit sollte sie sämtliche Hindernisse überwinden können.
Gegen Ende hatte sie sowohl ihren Parka als auch ihren Pullover ausgezogen und arbeitete im schweißfeuchten Rolli. Sie warf die Jacke in den Subaru und ging in die Hütte, um die Wäsche in den Trockner zu legen. Sie packte ihre Kleidung und ihren Rucksack, wischte die Küche und richtete den Stapel alter New-Yorker -Hefte, klopfte den Schnee von ihren Schneeschuhen und –stöcken und hatte die ganzen Sachen in den Wagen geladen, als der Trockner fertig war. Sie faltete die Laken, legte sie aufs Fußende des Bettes und verließ zum letzten Mal die Hütte.
Die aufgehende Sonne malte rot-orange Mondrian-Flecken zwischen die schwarzen Linien der Bäume. Sie stieg ins Auto und betrachtete den Aufgang im Rückspiegel. Sie war anderthalb Stunden lang ununterbrochen in Bewegung gewesen. Sie hatte keinen Moment innegehalten, um zu grübeln.
Sie stützte den Kopf in ihre über dem Lenkrad gefalteten Hände. »Steh mir ein wenig bei, Gott«, betete sie.
Sie ließ den Motor an, und aus den Stereolautsprechern ertönte David Gray. Well if you want it, come and get it, for cryin’ out loud. The love that I was giving you was never in doubt …
Sie fragte sich, was es über ihre spirituelle Tauglichkeit aussagte, dass die eindeutigsten Botschaften des Allmächtigen von einem alternativen Rocksender zu kommen schienen.
Im Pfarrhaus war sie hin-und hergerissen, ob sie durch das Tragen der Pfarrgewänder dokumentieren sollte, dass sie wieder im Dienst war, oder ob sie die neue Diakonin verärgern sollte, indem sie in Zivil zu ihrem Treffen ging. Ihr Kompromiss bestand in einer schwarzen Bluse, Priesterkragen und dezenter schwarzer Strickjacke über alten ausgewaschen-grünen Kampfhosen.
»Interessantes Outfit«, bemerkte Lois, als Clare eintrat, um sich über die letzte Woche Bericht erstatten zu lassen.
»Die Klerikerversion eines Vokuhila«, meinte Clare. »Oben Geschäft, unten Party.« Sie nahm die Handvoll rosa Zettel entgegen, die die Sekretärin von St. Alban’s ihr reichte. »Haben Sie mich vermisst?«
»Wenn ich ja sage, bekomme ich dann eine Gehaltserhöhung?«
»Ich fürchte, dafür müssten Sie schon den Gemeindevorstand und das Finanzkomitee vermissen. Aber ich könnte eine spezielle Predigt zu Ihrem Geburtstag halten.«
Lois schob eine schimmernde Strähne ihres erdbeerblonden Bobs hinter ein Ohr. »Bitte, in meinem Alter ist jeder Geburtstag sowieso ein religiöser Feiertag. Wiederauferstehung sozusagen.«
Clare grinste, wobei ein Teil ihres Verstandes staunte, dass sie überhaupt lächeln konnte. Sie blätterte durch die Mitteilungen. »Die Ketchums fragen wegen der Taufe …« Sie sah zu Lois auf. »Warum kommen die mit dem Kind nicht einfach am sechsten Januar?«
»An Epiphanias sind sie noch im Urlaub in der Karibik.«
»Nun, dann müssen sie wie alle anderen auf Ostern warten.« Sie legte den Zettel auf Lois’ Schreibtisch. »Mrs. Thomas möchte einen Hausbesuch, okay, Mr. Stevenson … Mrs. Darnley – was bedeutet es für unsere Gemeinde, dass die Hälfte der Mitglieder entweder im Haus gefangen, im Pflegeheim oder im Krankenhaus ist?«
»Wir müssen aktiv um Mitglieder im Adirondack Community College werben?«
»Es ist beängstigend, dass ich zu den jüngsten Besuchern meiner Kirche gehöre.« Sie blätterte weiter. »Abigail Campbell wünscht, dass ich einen Beerdigungsgottesdienst für ein Lamm halte?«
»Es war das Landjugend-Sozialprojekt ihrer Kinder. Irgendetwas ist in den Kuhstall eingedrungen und hat das arme Ding gerissen.
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