Wer Mit Schuld Beladen Ist
»Danke«, sagte er. Seine Stimme klang heiser.
»Sie sagten, ein wohlplazierter Stoß mit dem Messer«, sagte MacAuley. »Wusste der Angreifer, was er tat? War er darin ausgebildet?«
Dr. Dvorak presste seine ohnehin dünnen Lippen zu einem unsichtbaren Strich zusammen. »Jemand, der wusste, was er oder sie tat. Ja, würde ich schon sagen. Aber wie dieses Wissen erworben wurde …« Er zuckte die Schultern. »Militärische Ausbildung, eine Kampfsportart oder Selbstverteidigungstraining, ein erfahrener Jäger? Das ist Ihre Aufgabe.«
»Er oder sie?«, fragte Mark. Chief und Deputy drehten sich zu ihm um. Er spürte, wie er errötete, doch er blieb hartnäckig. »Ich meine, können Sie uns sagen, ob wir nach einer Frau oder einem Mann suchen?«
Der Doktor schüttelte den Kopf. »Nein. Wie ich schon sagte, das Opfer – Mrs. Van Alstyne – wurde von hinten überrascht. Da sie eine recht kleine Frau war, hätte jeder Angreifer von einer Größe zwischen eins fünfzig und eins achtzig den Stoß in diesem Winkel ausführen können.«
Mark nickte. Sollte der Deputy doch weiter seiner Böse-Jungs-sind-hinter-dem-Chief-her-Theorie nachgehen. Er wusste, dass die meisten Morde von Personen begangen wurden, die dem Opfer nahestanden. Von jemandem aus dem Umfeld des Opfers. Er hatte seine eigene Theorie.
»Es war nicht einfach, den Zeitpunkt des Todes zu bestimmen. Zunächst einmal war das Haus kühl, und Officer McCrea zufolge stand vom Zeitpunkt der Entdeckung des Opfers bis zu meinem Eintreffen die Tür des Windfangs offen. Auch die Leichenflecken waren wegen des großen Blutverlusts nicht so nützlich wie sonst. Ich kann ihn grob auf die vierundzwanzig Stunden zwischen Sonntag-und Montagnachmittag eingrenzen, doch präzisere Angaben sind mir nicht möglich.«
»Was ist mit …« MacAuley wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht.
Das Zucken des Rechtsmediziners war schwach, doch unverkennbar. »Die postmortalen Gesichtsverletzungen? Sie sind zahlreich, und meiner Schätzung nach wurden sie ihr sämtlich innerhalb einer halben Stunde nach Eintritt des Todes zugefügt. Einige sind sehr flach, zögerlich könnte man sagen. Andere waren tief und entschieden. Auch der Körper des Opfers weist an einigen Stellen solche Schnitte auf, eine Tatsache, die bei der ersten Inaugenscheinnahme am Tatort nicht aufgefallen ist. Diese postmortalen Verletzungen waren eher Stiche als Schnitte und beinah völlig blutleer. Noch einmal, sie waren nicht zu erkennen, ehe die blutgetränkte Kleidung des Opfers entfernt worden war.«
»Also … über was für eine Art von Angreifer reden wir denn?«, fragte MacAuley. »Über jemanden, der Mrs. Van Alstyne persönlich verabscheute? Oder über einen Täter, der sie stellvertretend für jemanden ermordete, den er hasste?«
»Ich bin Pathologe, keiner von diesen sogenannten Profilern«, wehrte Dr. Dvorak ab. »Und ich bin absolut nicht überzeugt, dass man aus dem Muster eines Angriffs erkennen kann, was im Kopf eines anderen vor sich ging. Der Körper bewegt sich und reagiert in einer Weise, die der Verstand nicht kontrollieren kann. Diese Feststellung vorausgeschickt, bin ich der Meinung, dass wir es mit einem Angreifer zu tun haben, der erfahren genug ist, um mit einem Streich zu töten, doch über keinerlei Erfahrung mit dem Tod selbst verfügt.«
»Was bedeutet?«, unterbrach MacAuley.
»Wenn ich fortfahren dürfte«, sagte der Doktor mit einem Blick auf den Deputy. »Die postmortalen Verletzungen scheinen mir eher eine Art von Experiment als mutwillige Verstümmelung zu sein. Um herauszufinden, was passiert, wenn man in Fleisch hineinschneidet oder sticht.«
Der Chief schauderte. Dr. Dvorak sah ihn unverwandt an. »In Fällen, in denen der Täter es genießt, Kontrolle über eine Leiche auszuüben, kommt es häufig vor, dass er mit ihr spielt wie ein Kind mit einer Puppe, sie herumzerrt, entkleidet, Gegenstände hineinschiebt, sie anmalt.«
Eine grauenhafte Vorstellung, doch Mark konnte sich genau vorstellen, was der Pathologe meinte. Er hatte Maddy dabei zugesehen, wie sie auf exakt diese Art und Weise mit ihren Barbies und Puppen spielte, bis hin zum Anmalen mit Filzstiften.
»In diesem Fall«, fuhr Dvorak fort, »wäre der beste Vergleich vermutlich der mit einem Jungen, der in einem toten Vogel herumstochert.«
MacAuley nickte. »Also … jemand, den sie kannte, der mit einem Messer umgehen konnte, aber noch niemanden getötet hatte.«
»Das ist meine Meinung, die vielleicht
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