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Wer Mit Schuld Beladen Ist

Wer Mit Schuld Beladen Ist

Titel: Wer Mit Schuld Beladen Ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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gemeldet hat, weiß mehr, als er zugibt.«
    »Hast du schon mal daran gedacht, dass es vielleicht keine so gute Idee sein könnte, Einzelheiten des Falls mit ihr zu besprechen?«
    Das brachte ihn zum Schweigen. Die Stichelei mit dem Händchenhalten hatte ihn in Wut versetzt, aber das hier war einfach nur verwirrend. »Warum nicht?«
    »Weil Clare Fergusson zum Kreis der möglichen Verdächtigen gehört.«
    »Clare?« Er konnte sich nicht helfen, er musste lachen. Er setzte seine Brille wieder auf und musterte Lyle. Scharfgestellt wirkte sein Deputy sogar noch aufgebrachter. »Es tut mir leid«, entschuldigte sich Russ. »Du hast recht. Ich erkenne, warum Leute auf dumme Ideen kommen, wenn sie mich und Clare zusammen sehen. Vertrau mir, es wird so schnell nicht wieder vorkommen.« Gott, was für ein deprimierender Gedanke. »Wegen des Falls musst du dir auch keine Gedanken machen. Wir haben nicht wirklich darüber geredet. Wir haben uns nur über unseren Eindruck von Quinn Tracey unterhalten – das ist der Junge, der das Auto gesehen hat –, und über deine Theorie. Zum größten Teil ging es um Trauerkram.« Lyle wirkte immer noch skeptisch. »Du weißt doch, sie ist Pastorin.«
    »Ja, Chief, das weiß ich.«
    Mark hustete und stapfte in wenig subtiler Weise herum. Lyle gab ihm ein Zeichen, und sie beide gingen zum Flur hinüber. Harlene, deren Kopfhörer hinter ihr herbaumelten, hastete auf sie zu.
    »Da seid ihr ja«, rief sie. Sie sah alle drei prüfend an. »Geht es euch gut?« Sie klatschte in die Hände. »Egal. Dr. Dvorak hat gerade angerufen. Er hat die vorläufigen Obduktionsergebnisse.«
    Ein eisiger Felsbrocken rutschte in Russ’ Kehle und blieb dort stecken. »Okay«, sagte er. Er nickte Lyle zu. »Gehen wir.«
    Harlene starrte ihn an. »Bist du so eine Art Masochist, oder was?«
    »Harlene …«, warnte Lyle.
    Russ schüttelte den Kopf. Er blickte in Harlenes runde Augen und spürte eine Woge der Dankbarkeit für alle diese Menschen, die sich etwas aus ihm machten. Selbstverständlich besaß keiner von ihnen das geringste Taktgefühl. »Ich muss das tun«, versicherte er ihr. »Was auch immer notwendig ist, um ihren Mörder zu finden; ich muss es tun.«
    »Verdammter Narr«, murmelte sie leise.
    »Aber ich glaube, wir sollten Mark mitnehmen«, sagte er zu Lyle.
    »Mich?« Mark erwachte mit der Plötzlichkeit eines Labradors, der eine Ente sieht, zum Leben. Er hatte noch nie an einem Briefing im Büro des Pathologen teilgenommen.
    »Dich. Ich sollte realistisch bleiben. Vielleicht bekomme ich nicht alles mit, deshalb wird ein zusätzliches Paar Ohren nützlich sein. Außerdem« – Russ zuckte die Schultern – »hast du das Zeug zum Detective. Wir müssen dich allmählich damit vertraut machen.«
    »Ich hole unsere Mäntel«, verkündete Mark und schoss den Flur hinunter zur Einsatzzentrale.
    Lyle taxierte ihn. »Ich schätze, ein Rest Vernunft ist dir geblieben.«
    Russ fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Gott, er fühlte sich alt, alt, alt. »Verlass dich lieber nicht darauf«, sagte er.

15
    M ark Durkee kannte den Rechtsmediziner des Washington County bereits. Er wusste nicht genau, warum er sich in Gegenwart dieses Mannes so unbehaglich fühlte – entweder, weil der jeden Tag bis zu den Ellbogen in Leichen steckte, oder weil er ein perfektes Ebenbild des verrückten Wissenschaftlers verkörperte, dank einer Narbe, die aus seinen kurzen grauen Haaren hervortrat, über die Stirn verlief und seine rechte Braue spaltete, Ergebnis eines Überfalls, dessen Opfer er vor zwei Jahren geworden war. Zudem hinkte er, weswegen er einen Stock mit Silberknauf benutzte. Als er in flatterndem weißem Laborkittel den Flur entlang auf sie zuwankte, erschien er Mark wie eine Gestalt aus einem der Stephen-King-Romane, die er als Teenager verschlungen hatte.
    Dvorak hob die Augenbrauen, als er den Chief erkannte. Beziehungsweise hob die eine, die noch beweglich war, was seinem Gesicht ein satanisch schiefes Aussehen verlieh. »Guter Gott! Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen?«, fragte er. »Sind Sie sicher, dass Sie dabei sein wollen?«
    Der Chief nickte.
    »Idiot. Nicht mal ich wäre hier, wenn ich nicht müsste!« Dvorak schwang sich auf seinem Stock herum und hinkte den Weg zurück, den er gekommen war. Der Chief und sein Stellvertreter folgten ihm, und Mark schloss sich an. Während sie langsam den Institutskorridor mit seinem Linoleum und Neonlicht hinuntergingen, fragte er sich, ob ihr Ziel die

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