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Wer Mit Schuld Beladen Ist

Wer Mit Schuld Beladen Ist

Titel: Wer Mit Schuld Beladen Ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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makellosen Bronzegriff. Alles wie immer. Nichts Ungewöhnliches. Sie packte den Knauf und drehte daran.
    Der Windfang war dunkel und vollgestopft. »Linda?«, rief sie. Ein Krachen und Rumpeln, als würde ein unterirdisches Biest hungrig erwachen, und Meg schrak zusammen, bis ihr bewusst wurde, dass es nur die Heizung war, die ansprang. »Ach, um Gottes willen«, schimpfte sie, weil ihre Einbildungskraft mit ihr durchging.
    Sie trat ihre Stiefel an der Matte ab und öffnete die Tür zur Küche.
    Sie sah, was sich dort auf dem Boden befand.
    Einen Augenblick lang ergab nichts einen Sinn; dann traf die Realität des Anblicks sie mit voller Wucht, und in ihre Lungen und ihre Kehle strömte ein Schrei, der ihr die Stimme …
    … und sie hörte ein Knarren.
    Über der Küche.
    O mein Gott, er ist noch hier, er ist noch hier, wer immer das getan hat, er ist noch hier.
    Meg bewegte sich rückwärts durch die Tür des Windfangs, rannte, schlitterte, taumelte durch den Schnee, fing sich an der Haube ihres Wagens, warf sich hinter das Steuer. Sie rammte den Schlüssel so heftig in die Zündung, dass der Anlasser knirschte, riss den Rückwärtsgang rein und schoss die Zufahrt hinunter, einen Arm über der Rückenlehne, mit der anderen Hand den Wagen gerade so davon abhaltend, gegen die Schneewehen zu krachen, die den schmalen Weg säumten. Sie stieß, ohne auf den Verkehr zu achten, rückwärts auf die Straße und stieg auf die Bremse, blockierte beide Fahrspuren.
    Sie starrte die Zufahrt hoch. Nichts regte sich. In der offenen Tür zum Windfang erschien weder eine Hand noch ein Gesicht. Dann schoss mit einer Plötzlichkeit, die sie zusammenfahren ließ, eine rotgestreifte Katze durch die offene Tür über den Schnee zur Scheune.
    Meg ließ den Kopf auf das Steuer sinken. Die Katze. Sie hatte die Katze vergessen. Linda war noch an dem Tag, an dem sie ihren Mann an die Luft gesetzt hatte, zum Tierheim gefahren. Sie hatte Meg erzählt, dass seine Allergien sie seit Jahren daran hinderten, sich eine Katze zuzulegen, sie sich aber jetzt keine Minute mehr aufhalten ließe.
    Als Meg nach dem Handy auf dem Beifahrersitz griff, zitterte ihr Arm. Es war beinah zu schwer für sie. Sie wählte den Notruf.
    »Notrufzentrale. Bitte nennen Sie Ihren Namen und die Art des Notfalls.«
    »Ich bin …« Meg holte tief Luft. »Ich heiße Meg Tracey. Es hat einen – jemand wurde getötet.«
    »Wo sind Sie, Ma’am? Sind Sie in Sicherheit?«
    War sie in Sicherheit? O Gott. Meg hieb auf die Türverriegelung.
    »Ma’am? Alles in Ordnung?«
    »Ja. Ja, ich glaube schon. Ich glaube, ich bin in Sicherheit. Ich bin nicht im Haus. Ich meine, ich war da, aber jetzt bin ich in meinem Auto. Auf der anderen Straßenseite. Bitte, Sie müssen jemanden schicken.«
    Die Stimme der Disponentin war gleichzeitig gelassen und voller Autorität. »Ich alarmiere bereits Polizei und Rettungsdienst, Ma’am. Sagen Sie mir, wo Sie sind.«
    »398 Peekskill Road.«
    Ein Rauschen in der Leitung. Dann wieder die Disponentin, dieses Mal beunruhigt. »Sagten Sie 398 Peekskill Road?«
    »Ja! Um Gottes willen, beeilen Sie sich.«
    »Bleiben Sie, wo Sie sind, Ma’am. Der erste Wagen wird in fünf Minuten eintreffen. Gehen Sie nicht zurück ins Haus.« Die Disponentin klang jetzt zittrig wie jemand, der in Zeiten der Not ein abgedroschenes Gebet aufsagt.
    »Das werde ich nicht. Ich …«
    Die Disponentin legte auf. Meg starrte das Handy an. Sollten sie nicht die Verbindung halten, bis jemand bei ihr eintraf? Sie saß in ihrem warmen Auto und zitterte. Sie schlang die Arme um sich und richtete sich darauf ein, zu warten, bis jemand sie aus diesem Alptraum erlöste.

3
    E s gibt im Leben die Momente dazwischen: zwischen Schlag und Schmerz; zwischen dem Klingeln des Telefons und dem Abheben; zwischen Stolpern und Sturz. Jeder kennt diesen Moment zwischen Schlafen und Erwachen. Die Vergangenheit ist noch nicht aus der Erinnerung wieder auferstanden, die Gegenwart hat sich noch nicht bemerkbar gemacht. Es ist ein Moment großer Gnade; verstörend wie alle Gnadenbeweise, doch nichtsdestotrotz ein Geschenk.
    Russ Van Alstyne schwebte in einem solchen Moment.
    Er wälzte sich herum und glitt aus seinem traumlosen Schlaf wie ein Taucher, der zur Oberfläche des Meeres treibt.
    Das Zimmer, in dem er lag, war winzig, nicht seines. Er hatte sich nie Geschichten über die Risse in der Gipsdecke ausgedacht, und er hatte nie versucht, die schiefe Hängeleuchte zu ersetzen.
    Das Zimmer war

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