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Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps

Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps

Titel: Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Mödlareuth-Ost. Deswegen mochte Charly Geschichtsunterricht nicht besonders. Er fand es deprimierend, immer wieder die gleichen Storys von Machtgier und Kriegen zu hören. Seit der Antike hatte sich seiner Meinung nach nichts verändert. Es ging immer nur darum, dass die einen auf Kosten der anderen recht behalten wollten, ihre gesellschaftlichen Experimente ohne Rücksicht auf Verluste durchboxten. Hier in Mödlareuth war ein Teil der Mauer stehen geblieben, die diversen Sicherheitsstreifen, wo einmal Selbstschussanlagen, Hunde und schwerbewaffnete Soldaten auf Flüchtlinge lauerten, waren originalgetreu erhalten. Rechts und links der ehemaligen Grenze lagen Bauernhöfe und Häuser, Scheunen und Ställe. Wie hingekleckst auf einem unfertigen Gemälde.
    Touristen in bunten Klamotten schlängelten sich durch die Außenanlage des Museums, spähten in die grasbewachsenen Bunker und berührten die weiß gestrichene Betonmauer. Dirk hatte das Cabrio im Osten geparkt; jetzt mussten sie nur den Tannbach überqueren, um auf die Westseite zu kommen. Little Berlin.
    Dirk drückte Charly ein Ticket in die Hand.
    Â»Erst die Grenzanlagen, dann das Museum?«
    Â»Klar.« Charly war es eigentlich egal. Er kletterte zwar in den Wachturm hinauf, weil Dirk und Eva es auch taten, aber er fühlte eine eigentümliche Beklommenheit dabei. An diesem Ort war zu viel getan worden, um dem Tod in die Hände zu spielen. Charly sah auf den Westteil des Dorfes hinüber. Der Tannbach war die administrative Grenze zwischen Bayern und Thüringen gewesen, die dann nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zur Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR werden sollte. Deswegen war das Dorf geteilt worden. Charly staunte, an wie viele Details er sich aus dem Unterricht noch erinnerte. Es hatte bald nach dem Krieg Passierscheine gegeben, die Leute unterhielten sich über den Bach hinweg. Drüberspringen war strengstens verboten, obwohl ein großer Schritt ausgereicht hätte, um die Seite zu wechseln. Unter der unbarmherzigen Beobachtung der Siegermächte wurden Kühe gemolken, Heuballen eingefahren, Schweine geschlachtet.
    Dann ging das eines Tages nicht mehr. Die Ostbevölkerung wurde größtenteils weiter ins Hinterland deportiert. Keine Passierscheine mehr, keine Besuche. Manche Ost-Dörfler schlüpften in letzter Sekunde durch das Stallfenster auf die Westseite. Charly fröstelte. Schleunigst kletterte er vom Wachturm herunter.
    Â»Was ist los?«, fragte Eva ein paar Minuten später. Sie knuffte ihn in die Seite.
    Â»Deprimierender Ort.«
    Â»Ãœberhaupt nicht. Er atmet Geschichte.«
    Â»Eine bescheuerte Geschichte.«
    Â»So war es nun mal, Charly.« Eva wies auf die Grenzmauer. »Wusstest du, dass die Mauer ein wenig zurückgesetzt auf DDR-Gebiet stand? Die Grenzsoldaten kamen durch Türen raus und patrouillierten auch außerhalb der Mauer, aber noch auf DDR-Gebiet. Es hat sogar Entführungen gegeben. Von Ex-DDR-Bürgern, die im Westen gegen ihren alten Staat gearbeitet haben.«
    Â»Ich sage ja – deprimierend.« Charly fragte sich, warum ihm nichts Intelligenteres einfiel, wenn Evas Aufmerksamkeit sich schon mal auf ihn richtete und nicht auf Dirk.
    Sie lachte, während sie ihr Handy aus der Tasche zog.
    Charly melancholisch.
    Charly zuckte die Schultern. Er bohrte die Hände tief in die Taschen seiner Flecktarnhosen und folgte dem Grenzpfad bis zum Tannbach, stiefelte über die Brücke nach Mödlareuth-West hinüber.
    Â»Warte, Charly!«
    Er drehte sich um. Die beiden anderen schlossen auf. Sie hatten schon ganz schön Sonne abgekriegt. Eva war braun, Dirk rot. Wenigstens hier musste Charly sich nicht sorgen: Er wurde jeden Sommer tiefbraun wie ein Spekulatius-Keks.
    Dirk schlug ihm auf die Schulter. »Lass uns ins Museum raufgehen, Kumpel, und den Film über das Leben an der Mauer anschauen!«
    Ich bin frei, dachte Charly. Ich werde mich niemals, niemals einsperren lassen!

    *

    Ich rief den ermittelnden Beamten an. Hauptkommissar Waldschmid. Er war wenig erfreut, von mir zu hören, ausgerechnet heute. Während der Festspiele herrschten in Bayreuth andere Gesetze als sonst. Das gab er mir zu verstehen, aber ich schilderte ihm, was Tine und ich entdeckt hatten.
    Wir sollten zu ihm ins Büro kommen. Gleich.
    Tine und ich gingen sofort hin.
    Â»Wir haben doch schon über die Gruppendynamik geredet!«

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