Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps
nach Hause zurück. Der Himmel bezog sich. Wind kam auf. Der Wetterbericht sprach von einem Tiefdruckgebiet, das für mehrere Tage über Franken hängen bleiben und für kühle Temperaturen und Regen sorgen würde.
Es war mir egal. Ich setzte mich vor den Computer, eröffnete ein Twitter-Konto, wie Tine es mir erklärt hatte, und suchte nach Evas Profil. Sobald ich ihre Timeline auf dem Schirm hatte, kopierte ich sämtliche Tweets in ein Textverarbeitungsprogramm und druckte alles aus. Ich las. Las wieder. Verglich. Suchte mir einen Kalender. Trug ein, wann das Trio wo Station gemacht hatte. Dann ging ich erneut ins Netz und klickte den folgenden Tweet an:
Cousine @Saamsaana bester Stimmung. Und das Bier: ein spritziges, hopfiges Helles!!!!
Ich suchte nach @Saamsaana, trug mich als ihre Followerin ein. Fand in ihrem Profil ihren richtigen Namen â Sabina Merzbacher â und eine Handynummer. Rief an.
»Guten Abend. Sind Sie Saamsaana?«
»Wer?«
»Das ist doch Ihr Twittername? Sie sind eine Cousine von Eva?«
»Und wer sind Sie?«
»Nele Plein. Ihre Lehrerin.«
»Verstehe.« Es folgte ein lang gezogener Seufzer. »Sorry, aber ich habe den Twitteraccount nur mal so eingerichtet. Ich war schon ewig nicht mehr drin.«
»Aber Eva hat ganz viel gepostet. Ich bilde mir ein, ihre Einträge auf Twitter werfen einen neuen Blick auf ⦠also darauf, wie sie zu Tode kamen. Alle drei. Können wir uns treffen?«
»Vormittags habe ich Zeit.«
»Gut. Dann morgen. Wo?«
»Ich wohne in Bayreuth. Im Café Kraftraum?«
»Okay.«
Ich legte auf und versuchte, auf die Nebentöne in Evas Gezwitscher zu lauschen. Merkte kaum, dass drauÃen der Regen herabrauschte. Meine Nachbarn in der Wohnung über mir stritten. Es interessierte mich alles nicht. Denn irgendwie, ich konnte nicht erklären, weshalb, hatte ich den Eindruck, dass das Schlimme, das, was Eva, Dirk und Charly nicht mehr in den Griff bekommen hatten, an jenem bierseligen Abend begonnen hatte.
*
Sie hatten dann doch in einem billigen Hostel in Kulmbach übernachtet. Dirk hatte ein halbes Dutzend Bier. Charly hatte irgendwann aufgehört, seine Seidla zu zählen. Sie kratzten Geld für ein Taxi zusammen und lieÃen sich quer durch die Stadt kutschieren.
Am Morgen stand Charly unter der Dusche. Er lieà eiskaltes Wasser auf seine Schultern prasseln. Hielt das Gesicht direkt in den Strahl. Seine Wange war immer noch geschwollen. Vielleicht sollte er Eva fragen, ob sie ihm mit ein bisschen Make-up aushalf, um das Hämatom zu überschminken. Verdammt, er hatte sich noch nie im Suff auf eine Prügelei eingelassen. Sein Gedächtnis gab nicht viel her. Er spürte einen Schlag ins Gesicht, dann kamen schwarze Kacheln auf ihn zu. Oder grüne. Oder rote. Seiner Erinnerung konnte er nicht trauen. Worum war es überhaupt gegangen? Mit einem Mal sah er Dirks wütendes Gesicht über sich. Richtig rot waren seine Wangen. Sonnenbrand? Zorn? Charly stieg aus der Dusche. Das Handtuch roch seltsam, nach Säure. Vermutlich war seinem Geruchssinn auch nicht mehr zu trauen. Wie viel hatte er eigentlich wirklich getrunken?
Dirk lag noch im Bett.
Charly zerrte das letzte saubere T-Shirt aus seinem Seesack. Dirk rührte sich nicht. Charlys Magen knurrte. Er brauchte einen Kaffee und irgendwas zum BeiÃen. Als er die Türklinke drückte, ging die Tür nicht auf. Nervös suchte er das Zimmer ab. Was war das denn jetzt für ein Spiel? Hatte Dirk sie eingeschlossen und den Schlüssel verschmissen? Charly wurde immer gereizter. Sein Kopf dröhnte. Er hatte schon öfter gesoffen, aber so daneben hatte er sich am nächsten Morgen nie gefühlt.
Endlich fand er den Schlüssel. Er lag unter Dirks Bett. Charly schüttelte den Kopf. Schande, wie hatten sie sich die Kante gegeben! Er schloss auf. Trat in den Gang. Wo schlief eigentlich Eva? Plötzlich gab sein Gedächtnis ein Mosaiksteinchen her. Eva! Er rieb sich die Schläfen. Irgendein Typ hatte Eva angebaggert. Himmelschimmel, hatte er, Charly, deswegen die Fäuste geschwungen? Der ganze gestrige Abend war ein Mischmasch aus Kopfschmerz, schalem Biergeschmack und enorm groÃen, schwarzen Löchern.
Charly lieà sich in die Innenstadt treiben. Er fand ein Stehcafé, von dem aus er die Plassenburg sehen konnte, und bestellte ein Haferl schwarzen Kaffee und zwei Croissants.
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