Wer mordet schon in Franken? - 11 Krimis und 125 Freizeittipps
Falls überhaupt Züge von Ansbach nach Nürnberg fuhren, das wusste Grätz nicht, er war in seinem früheren Leben ein überzeugter Autofahrer gewesen.
Ein früheres Leben ⦠Grätz liefen die Tränen übers Gesicht, denn der Ausflug in die Freiheit hatte sich als Witz erwiesen. Kein Karpfen, kein Kunstpalais, nicht einmal ein Bier hatte er sich geleistet.
Er sackte gegen die Sandsteinsäule, streckte das verletzte Bein aus. Sein Blick floh durch den Park. Grün, vor einem blauen Himmel, Blumenrabatten, ein Gärtner, Rasensprenger, ordentlich gestutzte Bäume.
Es wurde dunkel.
Für Grätz war es gelaufen. Sowohl für die Ãbergabe als auch für die Flucht war es zu spät. Er wartete auf seine Hinrichtung, wobei er fand, dass er sich genau den richtigen Platz ausgesucht hatte.
*
Mösner tauchte auf. Grätz blinzelte ein paar Mal. Die Sonne war untergegangen und die Dunkelheit übergoss den Himmel. Dennoch erkannte er Mösners kantige Figur.
»Pettigrew.«
»Mösner.«
»Hast du gedacht, du könntest abhauen? Bist du zu bescheuert, um dir auszurechnen, dass wir MaÃnahmen treffen, um das zu verhindern?«
Grätz ächzte. Sah auf die Uhr. »Die Ãbergabe! Ich verpasse die Ãbergabe!«
»Spinner. Pettigrew, ich breche dir alle Knochen, und dann macht Kotschi dich kalt.«
Mösner schob die Hand unter sein Jackett. Grätz sah die dunkle Beule. Eine Knarre. Wenigstens kein Messer. Niedergestochen zu werden, so wie Kaspar Hauser, erschien ihm jetzt doch als sehr unangenehm.
Mösner packte ihn am Revers und hievte ihn auf die FüÃe. Grätzâ Schmerzensschrei ignorierte er. Der erste Fausthieb traf Grätz an der Schulter. Der zweite auf der Wange. Der dritte am Kiefer. Mösner stieà ihn von sich weg. Grätz taumelte, bis er auf den Boden schlug, wo er wie ein Käfer auf dem Rücken lag und sich das Kinn rieb.
Mösner wollte schon die zweite Runde einläuten, drehte sich aber plötzlich um und rief halblaut: »Kotschi?«
Grätz schloss die Augen. Es war vorbei. Sein Leben war verwirkt. Doch der Tod kam noch nicht, oder er kam auf so leisen Sohlen, dass er nichts merkte. Als er die Lider probeweise öffnete, sah er den Mond über der Orangerie stehen, so malerisch wie alles, was er an diesem Tag gesehen hatte. Eine Szenerie wie aus einem schwülstigen Liebesfilm, bloà dass er nicht mit einer schönen Frau hier im Park war, sondern mit zwei Gangstern, Mösner und Kotschenreuther, genannt Kotschi, dem legendären Boss des noch legendäreren Kartells. Q 7, das seine Geschäfte, wie Senkenhuber ihm erläutert hatte, professionell und rücksichtslos abschloss, so wie Grätz selbst das einmal gemacht hatte. Ihm wurde schlecht. Der Mond und die Orangerie begannen sich zu drehen.
Vielleicht hatte er in den folgenden Minuten das Bewusstsein verloren. Er schreckte auf, als er federnde Schritte auf dem Gras spürte.
»Kotschi!«, hörte er Mösner sagen.
Dann klickte etwas. Eine Knarre, die entsichert wurde.
Senkenhuber würde ganz schön Ãrger kriegen, wenn seine, also Grätzâ, Leiche hier morgen früh vom Gärtner gefunden wurde, bereits zum Siedlungsgebiet diverser Kleinstlebewesen mutiert. Schadenfreude stieg in Grätz hoch. Das gefiel ihm jetzt wirklich, und so, dachte er weiter, verlieà er diese Welt wenigstens mit einem Lächeln auf den Lippen.
»Der ScheiÃkerl grinst auch noch.« Mösner.
Ein Schatten fiel auf Grätz. Er blinzelte und sah Mösner über sich stehen, den Arm ausgestreckt. Die Pistole. Von einem Schalldämpfer verlängert. Direkt vor dem Mond. DisneymäÃig.
»Den mache ich alle«, knurrte Mösner. »Kommando, Kotschi?«
In diesem Moment schloss Grätz mit allem ab. Er empfand Frieden. Dies hier war ein schöner Ort, um zu sterben. Auf dem Gras, unter dem Vollmond. Im Angesicht einer schönen Frau.
Einer Frau?
Grätz kniff die Augen zu, öffnete sie wieder. Eine Frau stand über ihn gebeugt. Blondes Haar umschmeichelte ihr zartes Gesicht. Sie trug ein eng anliegendes Kostüm, das im Mondlicht silbrig schimmerte.
»Gib mir die Knarre«, sagte sie zu Mösner.
»Aber â¦Â«
»Gib! Mir! Die! Knarre!«
Mösner reichte sie ihr rüber.
Dann ertönten zwei Schüsse. Grätz hörte nur ein Pfeifen, wie ein unterdrücktes Husten,
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