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Wer nichts hat, kann alles geben

Wer nichts hat, kann alles geben

Titel: Wer nichts hat, kann alles geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Rabeder
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ungläubiges Stirnrunzeln. Manche fragten dann noch, wie wir uns das denn mit der Finanzierung vorstellten. Wenn ich darauf erwiderte, dass wir nichts finanzieren müssten, war die Sprachlosigkeit komplett. Unfassbar! Da steht ein Paar Anfang dreißig und redet über ein Ein-Millionen-Euro-Haus, das es aus eigener Tasche bezahlen kann. Wie können die sich das bloß leisten? Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen.

    So fuhren wir ein ums andere Mal nach Tirol und schauten uns tolle Häuser an, doch bei keinem einzigen signalisierte uns der Bauch, dass wir uns dort auch zu Hause fühlen würden. Irgendwann lief es deshalb auf die einzige uns plausibel vorkommende Lösung hinaus: Wenn es das Haus nicht gibt, das unsere Wünsche erfüllt, dann bauen wir es uns eben selbst. Wir schauten uns nach einem Grundstück um und fanden es neben dem des Ehepaares, das wir in Rieti getroffen hatten, am Hang oberhalb der kleinen Gemeinde Telfs, zwanzig Kilometer westlich von Innsbruck gelegen, mit unverstelltem Blick auf das Inntal und die Stubaier Alpen dahinter. Als wir dort oben standen, blickten wir zwischen den Bäumen talwärts und sagten uns: »So wollen wir auch wohnen.« Also kauften wir der Gemeinde den Grund ab und planten mit demselben Architekten, der auch das Haus unserer künftigen Nachbarn baute, den Ort, an dem wir uns niederlassen wollten.
    So bescheiden wir noch in Leonding gelebt hatten, so sehr übertrieben wir es jetzt: Wir entwarfen ein Luxushaus mit Panoramafenstern und teuren Vollholzmöbeln, mit einem eigenen Sauna- und Fitnessbereich und Büroräumen für die Firma, mit einer Wohnung für meine Mutter und einer riesigen Garage für unsere Autos. Das Ganze eingebettet in einen knapp 3000 Quadratmeter großen Garten mit einem künstlich angelegten Schwimmteich. Und einer Gartenbar, an der wir in lauen Sommernächten Cocktails schlürfen würden. Im Geiste spazierte ich schon durch die
einzelnen Räume und hatte die Hoffnung, in diesem Haus endlich mein Glück zu finden. Konnte man sich etwas Schöneres erträumen, als in eine solche Villa zu ziehen und zu wissen, dass man sie sich selbst erarbeitet hat?
    Wenn ich mir selbst gegenüber damals allerdings schon ehrlich genug gewesen wäre, hätte ich die Pläne in den nächstbesten Papierkorb werfen müssen. In mir hatte sich längst etwas entwickelt, das spürte, dass mich auch dieser Schritt nicht glücklich machen würde. Es war eine Kraft, die ich heute die Stimme meines Herzens nenne. Ich konnte sie ziemlich deutlich hören. Aber ich hatte nicht den Mut, das, was sie zu sagen hatte, bis in mein Bewusstsein vordringen zu lassen. Und überhaupt: »Stimme meines Herzens!« Hätte mir damals jemand geraten: »Karl, hör auf die Stimme deines Herzens«, hätte ich ihm wohl geantwortet: »Ich höre keine Stimmen. Und wenn du welche hörst, geh besser zum Psychiater.« Ich war in jener Zeit noch das Paradebeispiel für einen Unternehmer, der seine Augen gerade so weit öffnet, dass er nur sieht, was er sehen möchte – und der damit für alles außerhalb seines Blickfelds auch keine Verantwortung übernehmen muss.
    Unter welchen Umständen unsere Produkte hergestellt wurden, interessierte mich beispielsweise nur am Rande. Je größer die Stückzahlen unserer Aufträge wurden, umso mehr stellte sich die Frage, wo wir unsere Accessoires wie Kerzen und Kerzenständer kostengünstig in großer Menge produzieren lassen konnten.
So hoch hätte die Qualität gar nicht sein können, dass wir die Produktion in Österreich hätten halten können – unsere Preise hätten jenseits aller Konkurrenzfähigkeit gelegen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs verlagerten wir deshalb einen Teil unserer Herstellung nach Polen und Ungarn. Doch das Maß, mit dem wir auf diese Weise unsere Kosten senken konnten, war nichts im Vergleich dazu, wie günstig wir in China produzieren lassen konnten.
    Das zu organisieren, ist deutlich einfacher, als man sich das gemeinhin vorstellt. In China oder bereits hier in Europa sitzen Händler, über die man genau die Waren in der Volksrepublik produzieren lassen kann, die man bestellt. Sie kümmern sich darum, dass die Muster nach Asien transportiert werden, ein paar Wochen später landen die vollgepackten Kartons in Europa. Man muss kein einziges Mal selbst nach China reisen, wenn man dort etwas herstellen lassen will. Das hat höchst angenehme Konsequenzen. Man muss sich nicht fragen, ob in den beauftragten Firmen etwa Kinder arbeiten, ob

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