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Wer nichts hat, kann alles geben

Wer nichts hat, kann alles geben

Titel: Wer nichts hat, kann alles geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Rabeder
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Berge streicht und auf der anderen Seite herunterfällt, passiert dasselbe wie im Wasser: Es entsteht eine Wellenbewegung, die man mit einem Segelflugzeug nutzen kann, um sehr weite Distanzen zurückzulegen.
    Wir versuchten es zum ersten Mal morgens um acht Uhr, allerdings noch bei sehr geringen Windgeschwindigkeiten. Nach einer Stunde harten Ringens landeten wir wieder und wollten die Flieger eigentlich schon wieder einpacken. Da sagte ich: »Es ist doch eigentlich ein Schmarrn, jetzt schon aufzugeben. Warten wir
doch einfach eine Stunde und gehen eine Kleinigkeit essen.« Wir aßen ein Sandwich und tranken Tee. Um elf Uhr kehrten wir auf den Platz zurück und sagten uns: »Jetzt starten wir noch einen Versuch – und wenn das auch nichts wird, packen wir ein und machen uns einen schönen Nachmittag.«
    Wir starteten und, siehe da, plötzlich gab es ein bisschen Wind. Irgendwann gelang es uns dann, in die Welle zu kommen, der Ritt konnte beginnen. Ganz langsam machten wir uns auf in Richtung Norden. Justins Frau hatte am Morgen alles perfekt vorbereitet, mit jeder einzelnen der Luftverkehrskontrollstellen telefoniert und angekündigt, dass da zwei Verrückte kommen würden, die von der Süd- auf die Nordinsel fliegen wollten. Das war notwendig, weil in diesem Luftraum auch Verkehrsflieger unterwegs waren. Wir hatten beide Transponder dabei, deren Signale sowohl von den Radargeräten der Flugsicherung als auch von den Warngeräten der Verkehrsflieger empfangen werden konnten.
    Justin war als der routiniertere Pilot von uns beiden ein Stück vor mir, als wir den Sprung übers große Wasser machten. Das ist ein spannender Augenblick, wenn man nach unten schaut und plötzlich nur noch Wasser sieht, die Nordinsel irgendwo am Horizont, ohne zu wissen, wo die nächste Welle steht und ob es unterwegs Auf- oder Abwinde gibt. Wir wussten nur: Dort drüben liegt ein großer Verkehrsflughafen, auf dem wir zur Not landen können, und ein Stück weiter ein Segelflugplatz. Genau den hatten wir im Visier.

    Irgendwann stellte ich dann fest, dass wir einander immer schlechter verstehen konnten, weil bei Justin die Batterie langsam in die Knie ging, er war die ganze Zeit mit aktiviertem Transponder geflogen, der viel Strom fraß, auch in den Lufträumen, in denen es ohnehin keine Verkehrsflugzeuge gab. Mein Glück war, dass ich den Controllern gesagt hatte, dass ich den Transponder in den Bereichen abschalten würde, in denen keine Verkehrsflieger unterwegs waren. Weiter in Richtung Norden verloren wir dann komplett den Funkkontakt zueinander. Ich ging davon aus, dass Justin weit vor mir flog; am Abend würden wir schon voneinander erfahren, wo wir beide jeweils gelandet waren.
    Weil der Wind immer weiter nachließ, fiel ich aus dem Wellensystem heraus und flog auf einen Bergkamm zu, hinter dem brauchbare Wiesen zur Außenlandung lagen. Ich hatte keine große Hoffnung mehr, nochmals einen Aufwind zu finden. Doch als ich über den Berg flog und einen kleinen Schwenk machte, ging es mit einem Mal aufwärts, als wäre ich in einen Aufzug geraten. Ich saß im Flugzeug und grinste übers ganze Gesicht. Ich nahm wieder Kontakt auf zu den Controllern, die mir sagten, dass sie mich nun gern wieder auf dem Radar hätten, weil ich in einen Bereich steigen wollte, in dem starker Verkehrsfliegerbetrieb herrschte. Gott sei Dank hatte ich noch genug Strom. Sie ließen mich deshalb bis weit nach oben steigen; mit dieser Höhe konnte ich dann ganz gemütlich bis ans Ende der Nordinsel fliegen.

    Erst hinterher erfuhr ich, dass es Justin ähnlich ergangen war wie mir – mit dem kleinen Unterschied, dass er den Aufwind hinter dem Bergkamm nicht erwischt hatte und auf einer der Wiesen landen musste. Zu allem Unglück hatte er sich im Winter davor ein Bein gebrochen und deshalb im Flugzeug seine beiden Krücken dabei, an die er nach der Landung aber nicht herankam. So saß er dann in seinem Flugzeug auf der Wiese, es war später Abend, weit und breit kein Mensch, nur ein einsames Haus in einiger Entfernung.
    Er nahm die Plexiglashaube des Flugzeugs ab und winkte in Richtung des Hauses. Wie er später erfuhr, war die Familie gerade beim Abendessen. Ein Kind sah zum Fenster heraus und sagte: »Du, Papa, da steht ein Flieger bei uns auf der Wiese. Und darin sitzt ein Mann, der winkt.« Der Papa aber sagte: »Ja ja, komm, iss weiter.« Und so saß der arme Teufel Justin eine Stunde lang in seinem Flugzeug, so lange, bis die Familie aufgegessen und sich vor

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