Wer nichts hat, kann alles geben
Strömung abreißt, hat das bei den meisten Flugzeugen keine so verheerenden Folgen. Andere Flieger gehen zart über die Fläche weg, und man hat sofort wieder Ruderdruck. Der Standard-Jantar verträgt so etwas allerdings weniger gut.
Nachdem ich diesen Flug überlebt hatte, flog ich die Meisterschaft sehr vorsichtig weiter. Als der Wettbewerb vorbei war, bot ich meinen Flieger sofort zum Verkauf an. Ein Verein in der Steiermark war interessiert.
Als die Steirer das Flugzeug inspizierten, sagte ich zu ihnen: »Ihr seid euch schon bewusst, was ihr da kauft. Das ist ja auch der Grund, warum ich es so günstig verkaufe.« Aber die meinten nur: »Ja ja, macht nichts, wir haben eh ein paar Flieger im Verein, die ziemlich kritisch sind, da passt der Jantar gut dazu.« Soweit ich weiß, dreht das Flugzeug noch heute seine Runden über der Steiermark.
Danach bestellte ich sofort einen neuen Flieger. Bei meinem ersten eigenen Segelflugzeug hatte noch die Regel gegolten: »Was gut ist, ist einfach teurer. Das Teure kann ich mir aber noch nicht leisten.« Weil sich meine finanziellen Möglichkeiten in den sieben Jahren dazwischen grundlegend geändert hatten, zog ich nun den vermeintlich logischen, aber nicht immer richtigen Schluss: Ich schätzte die Qualität eines Produkts allein in Relation zu seinem Preis ab. Ich dachte: Was teurer ist, muss automatisch besser sein!
Also war mein nächstes Flugzeug ein »Ventus CM«, ein sogenanntes eigenstartfähiges Segelflugzeug. Es ist ausgestattet mit einem Motor, den man zum Starten ausklappen kann. Wenn man auf zum Beispiel 1000 Meter über dem Platz gestiegen ist, klappt man das Triebwerk ein und hat ein reines Segelflugzeug. Das ist eine angenehme Variante des Segelfliegens, weil man damit ganz unabhängig ist. Man kann ohne fremde Hilfe starten, und falls man einmal keinen Aufwind findet, kann man den Motor wieder ausfahren und zusätzliche Höhe gewinnen. Ich musste damit zum Beispiel nie auf einer Wiese außenlanden. Manche
Segelflieger halten das Fliegen mit Klapptriebwerk für unsportlich, ich aber finde, es nimmt dem Segelfliegen nichts von seinem Reiz, wenn man eine Backup-Lösung im Kofferraum hat. So wie ein schlauer Mensch einmal sagte: »Geld macht nicht glücklich. Aber es gestattet uns, auf verhältnismäßig angenehme Weise unglücklich zu sein.«
Der Umzug
M ein neues Segelflugzeug war das erste Luxusobjekt, das ich mir leistete. Doch so sehr es mich auch freute, damit fliegen zu können, so unangenehm war es mir gleichzeitig, damit gesehen zu werden. Ich kam mir vor, als hätte ich mir eine mit Diamanten besetzte Rolex und einen Pelzmantel gekauft und würde damit durch Linz stolzieren. Mir waren Menschen schon immer suspekt, die ihren Reichtum demonstrativ zur Schau stellen, und ich wollte auf gar keinen Fall als Angehöriger dieser »Geld ist geil«-Fraktion abgestempelt werden. Im Gegenteil: Ich fuhr ein unauffälliges Auto und trug einfache Kleidung. Aber jetzt war ich Besitzer eines derart auffälligen Flugzeugs.
Wenn mich jemand fragte, woher ich das viele Geld hätte, um mir so ein teures Ding leisten zu können, erzählte ich deshalb etwas von »Kredit aufgenommen« oder »von meinen Beinahe-Schwiegereltern geliehen«. Es brauchte niemand zu wissen, dass ich die umgerechnet 60 000 Euro für das Flugzeug in bar hatte bezahlen können. Ich war ein begeisterter Segelflieger und wollte lieber mit meinen fliegerischen Fähigkeiten
auf mich aufmerksam machen als mit meinem Geld.
Das gelang glücklicherweise auch recht bald: 1993 gewann ich damit meine erste Meisterschaft. Start und Ziel war der Flughafen im Örtchen Lienz südlich vom Alpenhauptkamm. An zwei der insgesamt fünf Wettbewerbstage flog ich wie ein Außerirdischer, mit einer traumwandlerischen Sicherheit, die mir selbst fast unheimlich war. Mir war es an beiden Tagen als Einzigem gelungen, die gestellten Aufgaben zu bewältigen. Die Wetterbedingungen waren ausgesprochen widrig, am ersten Tag flog ich deshalb sogar bis nach Italien, weil ich dort eine vernünftige Wolke ausgemacht hatte, während es rundum wie aus Kübeln goss.
In einem kaum noch vorhandenen Aufwind hielt ich mich dann eine Dreiviertelstunde lang in der Luft und wartete darauf, dass das Wetter auf der Wettbewerbsroute wieder besser wurde. Als ich mich im Anflug auf den Flughafen Lienz-Nikolsdorf befand, nahm ich auf unserer Privatfunkfrequenz zuerst Kontakt zu Irene auf, die mich bei den Wettbewerben stets vom Boden aus
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