Wer nichts hat, kann alles geben
betreute. »Gut, dass du einen Motor im Flugzeug hast«, sagte sie, im festen Glauben, dass ich mich nur so lange hatte in der Luft halten können, weil ich irgendwann auf Motorbetrieb umgestellt hatte.
»Was meinst du damit?«, fragte ich zurück und erklärte ihr, dass ich einen Umweg hatte fliegen müssen, weil mich sonst wohl der Regen vom Himmel gewaschen hätte. »Es werden in den nächsten Minuten
bestimmt noch ein paar andere Flieger zum Flugplatz zurückkehren«, sagte ich. Nein, erwiderte sie, da käme keiner mehr, alle anderen Teilnehmer seien schon längst gelandet, nämlich auf irgendwelchen Wiesen und Feldern entlang der Strecke.
Weil ein weiterer Tag ähnlich verlief, war ich danach nicht nur überlegener Gewinner der Tiroler Landesmeisterschaft, sondern auch ein relativ bekanntes Gesicht in der übersichtlichen Segelflugszene Österreichs. Es war mir darüber hinaus auch gelungen, mit diesem Flugzeug in eine neue Dimension meines Segelfliegens vorzudringen. Ich war ein schier grenzenlos glücklicher Mann – wären da nicht meine regelmäßig wiederkehrenden inneren Zweifel gewesen.
Nichtsdestotrotz beschlossen Irene, meine Mutter und ich, für uns und unsere Firma einen neuen Sitz zu suchen. Es gab dazu keine Alternative: Das Haus in Leonding platzte aus allen Nähten, überall standen Kartons, in der Hochsaison gab es – bis aufs Schlafzimmer – praktisch keinen freien Flecken mehr im Haus. Auch der Anbau war überfüllt, den meine Mutter gemeinsam mit dem Mann gebaut hatte, den sie nach meinem Vater für ein paar Jahre in ihr Leben gelassen hatte. Nachdem wir alle Möglichkeiten gegeneinander abgewogen hatten, kristallisierte sich heraus, dass wir unsere Zelte in Tirol aufschlagen wollten. In einem Haus, das sowohl Wohn- als auch Geschäftsräume bieten sollte sowie ein eigenes Apartment für meine Mutter. Und in einer Gegend, in der ich hemmungslos meiner Berglust nachfliegen konnte.
Wegen der Segelfliegerei fiel die Wahl also auf Tirol : Seit Beginn meiner Segelflug-Leidenschaft stehen die Bücher des Deutschen Jochen von Kalckreuth in meinem Regal. Der Segelflugpionier war der Erste, der die Alpen in ihrer ganzen Schönheit mit seiner Kamera festhielt und sie in Büchern beschrieb – bis er eines Tages mit seinem Flugzeug zu hoch stieg, wegen Sauerstoffknappheit ohnmächtig wurde und nicht mehr eingreifen konnte, als sein Flugzeug beim anschließenden Sinkflug zu schnell wurde und in der Luft in seine Einzelteile zerbrach. Von Kalckreuth ist seiner Leidenschaft zum Opfer gefallen, sein Vermächtnis allerdings ist in mir lebendig geblieben und hat meine Begeisterung für die Alpen entfacht.
Bei einem Wettbewerb im italienischen Rieti lernten Irene und ich dann ein Ehepaar in unserem Alter kennen, das in der zauberhaften Bergwelt nahe Innsbruck wohnte und uns zu einem Besuch in ihr Haus einlud. Damit war die Sache entschieden.
Bevor wir uns von Maklern die ersten Häuser zeigen ließen, machten wir einen Kassensturz, um herauszufinden, was wir uns leisten konnten. Ich rechnete alle Kontostände zusammen und stellte zu meiner eigenen Überraschung fest: Wir hatten bereits so viel Geld verdient, dass wir das Arbeiten eigentlich hätten einstellen und uns zur Ruhe setzen können. Doch es wäre eine wenig verlockende Aussicht für mich gewesen, nichts mehr zu tun zu haben – hätte mich das doch erst recht mit der Tatsache konfrontiert, dass ich
zwar ein nach außen hin zufriedenes, aber tief in mir drinnen in keiner Weise befriedigendes Leben führte. Und so entschied ich mich, das Geld lieber in eine Luxusvilla zu investieren und von dort aus weiter am Gedeih unserer Firma zu arbeiten. Ich setzte mich, wenn man so will, mit voller Absicht zur Unruhe.
In Leonding haben wir sehr einfach gelebt, deshalb war die Sehnsucht riesig, endlich einmal richtig schön zu wohnen. Im Vorfeld der Besichtigungen der knapp hundert Immobilien bekamen wir immer dieselbe Frage gestellt: »Was genau suchen Sie?« Als wir unsere Vorstellungen ausbreiteten, merkten wir jedes Mal, wie die Makler mit dem Rechnen begannen und irgendwann zum Ergebnis kamen, dass sie sich die Arbeit sparen konnten. Nach dem Motto: Das, was diesen beiden Fantasten da im Kopf umherschwirrt, können sie sich ohnehin nicht leisten. Auf die Frage nach unserer Schmerzgrenze antwortete ich: »Um die zehn Millionen Schilling.«
Diese zehn Millionen Schilling waren damals wenigstens so viel wert wie heute eine Million Euro. Die Reaktion:
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