Wer nichts hat, kann alles geben
leben.« Es bedarf schon großer Widerstandskräfte,
sich solche Möglichkeiten zu versagen, wenn man nicht weiß, was man den Kindern abends zu essen auf den Tisch stellen soll. Mit meiner Arbeit wollte ich mich deshalb vor allem auf die Entwicklung von Straßenkindern und Waisen konzentrieren.
Also nahm ich Kontakt auf zu Waisenhäusern in Lateinamerika und suchte nach Projekten, die auf diesem Gebiet aktiv sind. Ich war überzeugt, dass ich in solchen Gegenden mit meinem Geld mehr würde erreichen können als in Europa. Hier gibt es bereits genug Organisationen, die sich sozial Benachteiligter annehmen, ich wollte lieber in der Ferne ansetzen. So stieß ich auf eine Organisation, die in neun Ländern Lateinamerikas Waisenhäuser betreibt. Über die traf ich einen gewissen Eduardo, einen spanischen Agraringenieur, der gemeinsam mit seiner Frau in einem Waisenhaus in Mexiko ein landwirtschaftliches Bildungsprogramm betrieb, in dem Jugendliche lernten, Gemüse anzubauen.
Kein Wunder, dass ich mit Eduardo sofort eine gemeinsame Ebene, vielmehr einen gemeinsamen Acker, fand, auf dem wir unsere Ideen gedeihen lassen konnten. Aus meiner eigenen Vergangenheit als Gärtner wusste ich: Damit Menschen zu Nahrung kommen, können sie entweder den Umweg einschlagen, zu arbeiten und von ihrem Lohn Essen zu kaufen. Oder sie nehmen die Abkürzung zwischen Arbeiten und Essen: Sie bauen ihre eigenen Nahrungsmittel an und verkaufen den Überschuss. Eduardos Projekt übte deshalb eine große Anziehungskraft auf mich aus.
Ich fragte ihn, ob sich seine Jugendlichen später mit dem erlernten Know-how als Gemüsebauern selbstständig machen würden. Er antwortete, dass einige dies gerne täten, jedoch von den Banken kein Geld für die Anfangsinvestitionen bekämen. Als ich erfuhr, dass die Investitionskosten für ein 400 Quadratmeter großes Folien-Gewächshaus samt Bewässerung und Samen knapp 500 Euro betrugen, war dies die Geburtsstunde von GREENHOUSE. Dieses Projekt vermittelt den künftigen Gemüsebauern Ausbildung und Kleinkredit aus einer Hand. Den Mikrokredit haben sie bereits nach der ersten Ernte eingearbeitet und können von den Gewinnen eine kleine Familie ernähren.
Bis dahin hatte ich gedacht, dass vernünftige Agrarentwicklung nur mit Rieseninvestitionen möglich wäre, und deshalb geplant, einen Investmentfonds aufzulegen. Der sollte von dem Geld seiner Anleger Ländereien kaufen, um sie in kleine Parzellen zu zerteilen, die an Kleinbauern verpachtet werden. Ich wollte diesen Fonds groß aufziehen, um damit möglichst viel Geld einzusammeln, und stürzte mich in die mühselige Arbeit der Fondszulassung. In einem Wald nach Pilzen zu suchen, in dem es monatelang nicht geregnet hat, ist wahrscheinlich weniger beschwerlich, als einen solchen Fonds ins Leben zu rufen. Ich ließ mich davon aber nicht abschrecken. Denn endlich hatte ich eine Vorstellung davon, wie ich aus all dem, was ich in meinem Leben an Erfahrungen und Fähigkeiten gesammelt hatte, etwas Sinnvolles machen konnte.
So enthusiastisch ich mich um die Umsetzung meiner neuen Idee kümmerte, so leidenschaftlich führten Lucie und ich unsere Beziehung. Das hatte leider aber nicht nur seine angenehmen Seiten. Wir sind zwei sehr impulsive Menschen, auch wenn man mir das nicht ansehen mag. Auf den ersten Blick wirke ich eher wie ein gemütlicher Bär. Wenn zwei solche Vulkane aufeinandertreffen, wird es eben heiß, so oder so. Wenn wir schöne Momente genossen, waren sie außerordentlich schön. Doch wenn uns eine Situation ins Ungemütliche entglitt, war sie dafür auch bald ausgesprochen unbehaglich. Bezeichnenderweise hatte unser Grundkonflikt Geld zum Inhalt.
Unsere erste kleine Auseinandersetzung hatten wir schon bei der Junioren-Weltmeisterschaft in der Slowakei, zu der sie mich nach der Nacht von Brünn begleitete, obwohl wir dort in Ermangelung ausreichender Sprachkenntnisse noch gar nicht richtig streiten konnten. Ich wollte sie von meinem Wasser trinken lassen und sagte: »Magst du einen Schluck von meinem sündhaft teuren Wasser trinken?« Im Vergleich zu allem anderen, das es an den Imbissbuden zu kaufen gab, kostete die Flasche ein kleines Vermögen. Lucie bekam diesen Satz in den falschen Hals, womöglich weil sie das Gefühl hatte, dass ich sie mit meinem Reichtum beeindrucken wollte. Warum sie so verstimmt war, konnte sie selbst nicht genau sagen, meine Frage hatte einfach ein schlechtes Gefühl in ihr aufkommen lassen. Diskussionen solcher Art
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