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Wer nichts hat, kann alles geben

Wer nichts hat, kann alles geben

Titel: Wer nichts hat, kann alles geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Rabeder
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führten wir immer wieder. Dabei hatten wir genug Geld,
um nicht mehr darüber nachdenken, geschweige denn streiten zu müssen. Tief in mir drinnen jedoch hatte ich Angst, nur wegen meines Geldes geliebt zu werden und nicht um meiner selbst willen.
    Wir gewöhnten uns an, unser Geld sinnvoll einzusetzen, was nach unserer Maßgabe bedeutete, das, was wir besitzen wollten, in der höchsten Qualität zu kaufen, allerdings ohne damit zu prassen. Das galt für Lebensmittel genauso wie für Hotelübernachtungen oder Autos. Drehten sich bis zum Verkauf meiner Firma meine Gedanken vor allem darum, wie das Geld hereinkam, dachte ich nun überwiegend darüber nach, wie ich es wieder loswerden konnte. Ich wollte nach all den Zweifeln spüren, was es mit mir macht, mein Geld auszugeben, zum Beispiel für eine Luxuslimousine.
    Meine Haltung meinem Reichtum gegenüber hatte sich insofern weiterentwickelt, als ich mich nicht mehr dafür schämte, wie ich das noch zwanzig Jahre davor getan hatte. Ich wusste, dass ich mein Geld mit viel redlicher Arbeit und Fleiß verdient hatte, und war nun selbstbewusst genug, das auch zu zeigen. Weil ich Lucie eine Freude machen wollte, bot ich ihr an, dass auch sie sich das Auto aussuchen konnte, das sie haben wollte, egal, wie viel es kostete. Ob ich nun eine Limousine bestellte oder zwei, spielte keine große Rolle. Meine Devise lautete: »Es ist möglich, so viel Geld auszugeben, wir können uns das leisten, lass es uns also tun.« Lucie hatte damit aber ihre Schwierigkeiten. Sie entschied sich bewusst für ein kleineres Modell.

    Nichtsdestotrotz unterstellte ich ihr aber, dass es nach ihrer Meinung Aufgabe des Mannes sei, die Frau zu verwöhnen und materiell zu versorgen. Auf der einen Seite lehnte sie zwar alles Materielle ab, empfand aber auf der anderen Seite jedes Geschenk als Ausdruck der Wertschätzung ihrer Person. Lucie nahm mir diese Unterstellung sehr übel, sie fühlte sich dadurch gekränkt, hatte sie doch bis zu unserem Aufeinandertreffen eine eigene Kanzlei betrieben und gut sich und ihre Tochter versorgen können. Wenn unsere Vulkane in solchen Gesprächen erstmal aktiviert waren, spuckten sie bald glühende Asche. Wir glaubten beide, dass es nur noch mehr Nachdruck, noch mehr Schärfe brauchte, um den anderen von der Richtigkeit der eigenen Meinung zu überzeugen.
    Dabei wäre es oft klüger gewesen, zu akzeptieren, dass der andere nur so stark und dominant auftritt, weil er sich selbst schützen will. Ihre nach außen hin gezeigte Stärke war nur der Schutz ihrer verletzlichen Seele. Das hatte ich schlicht übersehen, und ich bin mir nicht sicher, ob sie meine Empfindlichkeit nicht genauso übersehen hat. Ich glaube, dieses Streitverhalten war nicht nur für uns typisch. Dass zwei Menschen, die sich lieben, in einen Wortwechsel geraten, weil sie einander ihre Verletzlichkeit nicht offenbaren können, ist wahrscheinlich so traurig wie häufig. Und vor allem: so unnötig.
    Was uns dafür umso mehr verband, war die Passion fürs Segelfliegen. Nachdem Lucie in Rieti entdeckt hatte, wie mühelos sie mit den Kräften des Himmels zu spielen
vermochte, lernte sie das Segelfliegen selbst. Ich beschäftigte mich derweil damit, wie ich meine Fähigkeiten so weit verfeinern konnte, um den größtmöglichen Erfolg feiern zu können: den Gewinn der Weltmeisterschaft 2006 in Frankreich. Die bis dahin letzte, an der ich teilgenommen hatte, war die WM 1999 in Bayreuth gewesen, wo unsere ganze Mannschaft eine Katastrophenleistung abgeliefert hatte. Danach schwor ich mir, nie mehr an einem im Flachland ausgetragenen Wettbewerb teilzunehmen. In ein Land zu fahren, über das ich freiwillig nicht fliegen würde, nur weil dort eine WM stattfindet, wollte ich mir nicht mehr antun.
    Ich wartete so lange, bis eine WM in einem Land ausgetragen wurde, das mir wieder Spaß machte, und nahm die Donau als Grenze. Die Regel lautete: kein Wettbewerb nördlich des Weißwurstäquators. Von da an nahm ich nur noch an Spaßwettbewerben teil wie dem »Coupe du Monde de Vol à Voile en Montagne«, dem in Südfrankreich ausgetragenen Weltcup im Gebirgssegelflug, oder der »Coppa Internazionale del Mediterraneo« in Rieti. Nun aber stand wieder eine WM über den Bergen meiner geliebten Zweitheimat an, und ich wusste: Diesmal kann ich es schaffen.
    Anders als ein Segelflugprofi, der von seinem Sport lebt, lebte ich für diesen Sport. Ich saß so oft wie möglich im Flugzeug, die WM stets vor dem geistigen Auge. Für

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