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Wer nichts hat, kann alles geben

Wer nichts hat, kann alles geben

Titel: Wer nichts hat, kann alles geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Rabeder
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oft in die Ferne ziehen würde, dass ich das Haus nicht mehr brauchte. Und drittens begriff ich seine Veräußerung auch als einen reinigenden Akt, sie war der letzte und größte Punkt in meinem Entrümplungsplan.
    Da hörte ich von einer Hausverlosung in Kärnten, bei der innerhalb von vier Wochen 10 000 Lose verkauft worden waren, und beschloss, mein Haus auch zu verlosen und so auf den Start von MyMicroCredit aufmerksam zu machen. Ein ehemaliger Millionär, der ein Mikrokredit-Portal aufbaut, zieht niemanden vom Hocker. Aber wenn gleichzeitig sein Haus verlost wird
– das zündet. Als ich Lucie von meiner Idee erzählte, war sie sofort begeistert.
    Die folgenden Monate verbrachten wir damit, alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Die Infrastruktur für das Portal musste aufgebaut, die rechtlichen Voraussetzungen für einen ordnungsgemäßen Ablauf der Verlosung geschaffen werden. 99 Euro sollte ein Los kosten. Es wurden so viele aufgelegt, dass der von einem Gutachter festgelegte Immobilienwert ebenso eingespielt werden sollte wie alle zu erwartenden Nebenkosten. Von dem eingespielten Geld musste ich noch die Bankdarlehen zurückzahlen, die ich auf das Haus aufgenommen hatte. In guter neoliberaler Tradition hätte ich es mir zwar leisten können, das Haus auf einen Schlag zu bezahlen, zog es aber trotzdem vor, einen Teil durch Kredite zu finanzieren, um mein eigenes Geld an der Börse für mich arbeiten zu lassen – mit den bekannten Folgen.
    Nach unserer Kalkulation waren 21 999 Lose nötig. Von der mir am Ende verbleibenden Summe wollte ich die Gründungskosten von MyMicroCredit abdecken und Projekte wie GREENHOUSE oder die Schulbäckereien anschieben: Damit Eltern motiviert werden, ihre Kinder zur Schule zu schicken, gibt es in Peru Bäckereien, die die Kinder in der Schule mit frischem Brot versorgen – die Schulbildung bekommen sie dann gewissermaßen zum Nachtisch. Die Bäckereien sollen sich möglichst schnell von allein tragen.
    Parallel suchte ich in Lateinamerika nach erfahrenen Mikrokredit-Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten
konnten. Mir war von Beginn an wichtig, dass die Auswahl der Kreditnehmer sehr sorgfältig ablief. Ihr soziales Umfeld sollte genauso überprüft werden wie ihr Verantwortungsbewusstsein, um einen Kreditausfall möglichst auszuschließen. Die Menschen sollten außerdem darin geschult werden, mit dem Kapital verantwortungsbewusst umzugehen. Dies sollte die Aufgabe der lokalen Mikrofinanzinstitutionen sein.
    Dass ein Mikrokredit ein Leben in eine ganz neue Richtung lenken kann, hatte ich selbst bereits öfter miterleben dürfen, zum Beispiel bei José Luis Baran Canu, einer damals achtzehnjährigen Waise aus Guatemala, mit dem mich Eduardo, der spanische Agraringenieur, bekanntgemacht hatte. José hatte in seinem Waisenhaus voller Begeisterung am Agrarunterricht teilgenommen und wünschte sich nichts sehnlicher, als sich mit seinem eigenen Folienhaus als Gemüsegärtner selbstständig zu machen. Er stellte einen Businessplan für einen nur 190 Quadratmeter großen Folientunnel auf, die 250 Euro dafür bekam er von mir privat. Darin baute er Gemüse an, das er zu regulären Preisen auf dem Wochenmarkt verkaufte. Nach weniger als einem halben Jahr hatte er 340 Euro verdient und konnte mir den Kredit zurückzahlen.
    Von solchen Geschichten wollte ich den Menschen in Europa erzählen, um sie zu motivieren, selbst Geld für einen Mikrokredit bereitzustellen. Gleichzeitig wollte ich sie zum Nachdenken über ihr eigenes Leben anregen. Entwicklungshilfe ist für mich keine Einbahnstraße, auch wir können von den Menschen, denen
wir finanziell helfen, vieles lernen, Lebensfreude oder Zusammenhalt zum Beispiel. Ich hatte das ja oft genug selbst erlebt.
    Ich beauftragte also eine auf Online-Marketing spezialisierte Agentur aus Salzburg damit, die Verlosung meines Hauses bekanntzumachen. Sie entwarf eine ansprechende Internetseite, ein Fotograf schoss wundervolle Bilder. Wir verschickten Pressemitteilungen und setzten auf Mund-zu-Mund-Propaganda sowie auf Community-Marketing im Internet. Ich hatte die Hoffnung, dass auf diese Weise viele Menschen über die Hausverlosung auch auf das Mikrokredit-Portal aufmerksam werden würden. Es reagierten ein paar regionale und überregionale Zeitungen sowie zwei Talkshows im österreichischen Fernsehen. Doch die Losverkäufe hielten sich in einem sehr überschaubaren Rahmen. Wäre ich beim Absetzen meiner Kerzen ähnlich erfolgreich gewesen

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