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Wer nichts hat, kann alles geben

Wer nichts hat, kann alles geben

Titel: Wer nichts hat, kann alles geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Rabeder
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etwas von selbst oder von oben verordnet zum Positiven wendet, ist deshalb sehr naiv. Ob man will oder nicht: Wer ein zufriedenes Leben führen möchte, muss die dafür notwendigen Veränderungen selbst einleiten.
    An genau diesem Punkt stand ich selbst, als ich von der Idee Abstand nahm, eigene Fonds aufzulegen. Mir wurde bewusst, dass ich mit allen Ideen, die ich nach dem Verkauf der Firma entwickelt hatte, zwar die richtige Richtung eingeschlagen, sie aber nicht konsequent bis zu Ende durchdacht hatte. Mit Fonds Geld einzusammeln, um damit Sozialprojekte zu unterstützen, folgte noch immer den Grundsätzen des neoliberalen Wirtschaftsdenkens, schließlich erwarten Investoren ja eine Rendite für ihren Einsatz. Und auch mein eigenes Konsumverhalten war immer noch nicht Ausdruck einer neuen Lebenseinstellung, sondern vielmehr eine Fortsetzung der alten Muster.
    Auf der Suche nach einer anderen Möglichkeit, Menschen in Entwicklungsländern finanziell zu unterstützen, stieß ich schon Jahre zuvor auf die Form der Mikrokredite. In vielen Ländern reicht bereits eine Summe ab 50 Euro aus, um sich eine Existenz aufzubauen. Damit sich im Rahmen des GREENHOUSE-Projekts Jugendliche und Erwachsene mit einem kleinen Gewächshaus
als Gemüsegärtner selbstständig machen können, braucht es lediglich etwa 500 Euro. Mein Gedanke war, die Idee der Mikrokredite mit den zeitgemäßen Möglichkeiten des Internets zu kombinieren, so dass sich viele Menschen in Europa mit kleinen Summen daran beteiligen konnten. So entstand die Idee einer Internetplattform zur Vermittlung der Kredite. Dass es ähnliche Plattformen bereits in den USA gab, erfuhr ich erst später von meinem Gründungspartner, den ich auf einer Reise durch Georgien und Armenien kennenlernte, bei der ich mir noch mögliche Investmentobjekte für den Fonds ansah. Er eröffnete mir: »Was du da vorhast, gibt es bereits in Amerika.«
    Ein bisschen erinnert mich dieser Moment heute daran, wie Otto Lilienthal einst das Flugzeug erfand. 1889 veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel Der Vogelflug als Grundlage der Fliegerkunst . Darin beschreibt er, wie er in unzähligen Experimenten und Selbstversuchen die Voraussetzungen dafür schuf, dass der Mensch heute in die Luft gehen kann. Er analysierte die Flugeigenschaften der Vögel und stellte Formeln dafür auf, welcher Luftwiderstand unter einem Flügel herrschte. Schließlich konstruierte er Gleitflugapparate aus mit Wachstüchern bespanntem Weidenholz und startete damit von erhöhten Punkten. Er war damals aber nicht der Einzige: Als er zum ersten Mal flog, arbeiteten unabhängig von ihm auch viele andere daran, die Sehnsucht des Menschen, fliegen zu können wie ein Vogel, mit der zeitgemäßen Technik umzusetzen. Man hatte gelernt, das Holz entsprechend
zu bearbeiten, es gab die passenden Stoffe. Aber das Entscheidende war, dass die Pioniere dieser Zeit die Technik zu nutzen wussten.
    Auch wir von MyMicroCredit, wie wir das Portal nannten, waren nicht die Einzigen, die sich mit der Frage beschäftigten, wie man mit den Möglichkeiten des Internets das Prinzip der Mikrokredite weiterentwickeln konnte. Die Idee lag damals in der Luft, und so inspirierte sie uns auf dem Rückflug von Georgien nach Österreich. Weltweit gibt es inzwischen zehn solcher Vermittlungsportale, die Kreditnehmer und -geber im Virtuellen zusammenführen.
    Nach unserer Landung hatte ich das Gefühl, auf der Suche nach etwas Sinnvollem in meinem Leben einen entscheidenden Schritt getan zu haben. Ich fuhr mit meinem Auto aus Innsbruck hinaus und machte mich auf den Weg nach Telfs. Unterwegs dachte ich darüber nach, welche Schritte nun notwendig waren, um diese Plattform so schnell wie möglich aufzubauen, und was die Abkehr von der Fondsidee für mein eigenes Leben bedeutete. Als ich meinen Wagen in der Garage abstellte, wusste ich: Wenn ich es wirklich ernst meine, kann ich nicht länger in diesem Haus bleiben.

Die Saat
    A ls Muhammad Yunus vor knapp dreißig Jahren die Grameen Bank mit dem Ziel gründete, Mikrokredite zu vergeben, war das seine Reaktion darauf, dass der armen Bevölkerung Bangladeshs von den etablierten Banken keine Kredite bewilligt wurden. Auf die Frage, wie er auf diese Idee gekommen sei, antwortete er einmal: »Es ist so simpel. Ein soziales Problem existiert. Ich sehe es und frage mich, wie man dieses Problem lösen kann. Damit ist die Organisation oder das soziale Business schon entstanden.«
    Andere hätten womöglich die

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