Wer nichts hat, kann alles geben
ich lasse das auf mich zukommen.« Trotzdem gab es viele, die nicht so recht glauben wollten, dass ich wirklich bereit war, mich von all meinem Geld zu trennen. Sie fragten misstrauisch: »Sie haben aber schon noch Reserven?«
Wenn ich darauf erwiderte, dass ich natürlich Reserven hätte, bemerkte ich ein Blitzen in den Augen, weil mein Gegenüber wohl dachte, mich überführt zu haben. Gefolgt allerdings von großer Enttäuschung, wenn er hörte: »Meine Reserven sind die Fähigkeiten, die ich in mir trage – meine Kreativität, meine Begeisterung und mein Gespür.« Meine Gesprächspartner hatten wieder nur eine Energieform im Sinn gehabt
– nämlich Geld. Viele Leute denken einfach, dass alles, was man nicht unmittelbar und sofort zu Geld machen kann, nichts wert sei. Oder gar nicht erst vorhanden – und das ist noch viel schlimmer.
Die Skepsis mir gegenüber hat aber auch noch eine andere Ursache. Manche, mit denen ich sprach, konnten sich schlicht nicht vorstellen, dass ich es wirklich ernst meinte damit, all das aufzugeben, was ich mir über Jahrzehnte aufgebaut hatte. Insgeheim unterstellten sie mir, dass ich zwar wie ein wohltätiger Samariter auftrat, tatsächlich aber mein Geld nur versteckte. So, als sei alles, was ich tat, nur darauf ausgerichtet, noch mehr Geld zu bekommen, um am Ende allen eine lange Nase zeigen zu können. Damit verrieten sie allerdings mehr über sich selbst, als sie mir zu entlocken vermochten. Ein österreichisches Sprichwort sagt: »Wie der Schelm denkt, so ist er.« Wer einem anderen unterstellt, er sei link und sage nicht die Wahrheit, tut das nur, weil er selbst sich in einer solchen Situation link verhalten und die Unwahrheit sagen würde.
Das Gespräch mit der »Chrismon«-Redakteurin allerdings behielt ich in sehr guter Erinnerung, weil es mir zeigte, dass es durchaus Journalisten gibt, die tatsächlich an der Wahrheit interessiert sind und ihr mit oft auch unbequemen Fragen auf den Grund zu gehen versuchen. Aber gerade Zeitungen wie die, die ich selbst als Jugendlicher noch unschuldigen Leondingern aufgeschwatzt hatte, halten sich nicht lange mit so etwas Lästigem wie der Realität auf, sondern schielen nur darauf, was die Verkaufs zahlen nach oben
treibt. Ein Millionär, der die Öffentlichkeit täuscht mit seiner Geschichte vom Geld, das ihn nicht glücklich gemacht hat, damit in Wirklichkeit aber nur noch viel mehr kassieren möchte – so etwas lässt sich natürlich viel besser verkaufen als die Wahrheit.
Ach, werden sich jetzt vielleicht viele denken, dass das, was in solchen Zeitungen steht, gelogen ist, weiß doch sowieso jeder. Ich befürchte, dass es so einfach nicht ist. Es ist ein ähnliches Prinzip wie bei der Werbung, von der jeder sagt, dass sie bei ihm wirkungslos sei. Niemand würde freiwillig Geld dafür bezahlen, täglich belogen zu werden. Ich befürchte vielmehr, dass viele eben doch glauben, was sie da lesen, und dass sich das Weltbild, das in solchen Zeitungen gezeichnet wird, tief in den Köpfen, Herzen und Seelen ihrer Leser einnistet und zur Grundlage ihres Handelns wird.
Als es auf den Sommer zuging, war der Ausverkauf der Lose langsam absehbar. Über MyMicroCredit waren bereits viele Mikrokredite vergeben, auch weil einige Schulprojekte in Österreich und Deutschland initiiert wurden, die sich fächerübergreifend mit diesem Thema beschäftigten. Die daran beteiligten Klassen wählten sich einzelne Projekte von unserer Internetseite aus, die sie selbst finanzierten. Es war alles auf einem guten Weg.
Für mich persönlich bedeutete das, dass ich mir nun langsam Gedanken darüber machen musste, wohin ich nach der Verlosung ziehen wollte. Inzwischen war ich in dem Haus ganz allein, meine Mutter war in eine
Einrichtung für betreutes Wohnen gezogen. Unser Verhältnis hatte sich mit dem Alter zunehmend entspannt, weil ich das, was ich über viele Jahre so scharf kritisiert hatte, in einem anderen Licht sah. Früher hatte ich ihre Selbstaufgabe weder annehmen noch verstehen können. Heute hingegen kann ich damit viel besser umgehen, weil ich grundsätzlich anderen Lebenseinstellungen gegenüber offen bin. Und außerdem trage ich ja vieles von dem, was sie dazu gebracht hat, sich für mich einzusetzen, auch in mir. Sie ist mir damit als Gesamtpersönlichkeit viel verständlicher geworden.
Wohin es mich verschlagen würde, war noch vollkommen unklar. Ich hatte keine Vorstellung davon, wo mein neues Zuhause liegen und wie es aussehen würde.
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