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Wer nichts hat, kann alles geben

Wer nichts hat, kann alles geben

Titel: Wer nichts hat, kann alles geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Rabeder
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die Verlosung bis jetzt nicht gelaufen. Auch hatten viel zu wenige Menschen von MyMicroCredt erfahren und erst knapp 10 000 Euro über die einen Monat vorher online gegangene Internetplattform an Mikrokrediten vergeben. Ich spürte, dass von mir nun einfach Demut verlangt war.
    Man muss das Leben begreifen wie die Arbeit eines Bauern, der Früchte auf seinem Acker ernten möchte. Er bearbeitet den Boden, pflügt ihn und befreit ihn von Unkraut und Steinen. Dann wirft er die Saat aus. Ab einem gewissen Zeitpunkt aber muss sich der Bauer in Geduld üben und der Natur, der Sonne und dem Regen vertrauen.

    Ob die Saat aufgeht oder nicht, ob die Keimlinge durch die Oberfläche brechen und daraus widerstandsfähige Pflanzen erwachsen, liegt nicht mehr in seiner Macht. Er kann nur hoffen, so gut vorgearbeitet zu haben und bei der Pflege ein so glückliches Händchen zu beweisen, dass die Pflanzen irgendwann Früchte tragen. Dann kann es trotzdem passieren, dass ein Sturm aufkommt, der einen Teil der Ernte zerstört. Und alles fängt wieder von vorne an. Ein guter Bauer lässt sich bei dem, was er tut, nicht beirren, er verlässt sich auf sein Wissen ebenso wie auf seine Intuition. Er weiß, dass er die Natur nicht lenken kann, er kann sie nur nach Kräften unterstützen.
    Auch mein Feld war bestellt, jetzt brauchte es nur noch zu regnen und die Sonne zu scheinen.
    Das geschah Ende Januar. Von da an nahm die Sache Fahrt auf. Die Veröffentlichung des »Chrismon«-Interviews war für meinen Acker wie ein Wunderdünger – danach stand das Telefon kaum noch still. Die daraus resultierende Aufmerksamkeit hatte für mich allerdings zwei Seiten. Die gute war, dass mir viele Leute schrieben, wie dankbar sie dafür seien, dass ich meine Gedanken nicht für mich behielt. Für sie war mein »Outing« der Beweis dafür, dass sie mit ihren Zweifeln nicht allein waren.
    Fünf Jahre zuvor wären die Reaktionen womöglich noch ganz anders ausgefallen. Wir waren ja alle wie berauscht gewesen vom neoliberalen Hype. Das Immer-Mehr war zum Selbstzweck einer Gesellschaft geworden, die dafür alle Hüllen fallen gelassen hatte.
Dass nun aber jemand in der Öffentlichkeit erklärte, dass er auf einem Irrweg gewesen war und ihn jetzt verlassen hatte, verschaffte vielen Menschen offenbar Erleichterung.
    Die schlechte Seite war, dass ich nun im Blickpunkt stand, ob ich wollte oder nicht. Mir jedoch war nur wichtig, dass meine Ideen bekanntwurden, nicht ich. Ich habe es als Kind schon gehasst, fotografiert zu werden. Das liegt an meinem Großneffen, einem Fotografen : In meiner Kindheit wurden zu jedem Geburtstag Fotos von mir gemacht. Jedes Jahr aufs Neue musste ich einen halben Tag vor seiner Kamera stehen, jedes Mal mit einem neuen Motiv. Karli im neuen Trachtengewand, mit schöner Hose und einem netten Hemd. Vor dem Kirschbaum, neben dem Misthaufen – und alles in furchtbarer Hitze, mein Geburtstag fällt in den Juni. Oder Karli vor dem Indianerzelt. Stehend, im Schneidersitz, aber immer mit Schweißflecken unter den Achseln. Meine Aversion vor Kameras zog sich bis ins Erwachsenenalter.
    Es war eine Redakteurin des ORF, die mich ein Stück weit davon befreite. Ich sagte ihr: »Genügt es nicht, wenn Sie mein Haus filmen und unsere Seite im Internet ? Ich muss doch gar nicht zu sehen sein.« Sie erwiderte: »Wissen Sie, das geht vielen so. Sie fühlen sich unwohl vor der Kamera. Aber unsere Zuschauer wollen den Menschen sehen, dessen Idee das alles war und der sie umsetzt. Und das sind Sie. Wenn Sie wollen, dass unsere Zuseher von Ihren Ideen erfahren, müssen Sie selbst davon erzählen. Die einzige Chance,
sich mit Ihrer Situation anzufreunden, ist deshalb, sich mit ihr abzufinden.« Also fügte ich mich, es war ja für einen guten Zweck.
    Ich muss allerdings sagen: Es gab nicht nur freundliche Reaktionen auf mein Vorhaben. Natürlich wurde mir in jedem Interview die Frage gestellt, wo und vor allem wovon ich in Zukunft würde leben wollen. Ich gab darauf jedes Mal dieselbe Antwort: »Ich weiß noch nicht, wohin es mich verschlagen wird. Am liebsten würde ich in einer Hütte irgendwo in den Bergen leben und nur das mitnehmen, was in zwei Rucksäcke passt. Mehr brauche ich nicht.«
    Und auch, wie ich die tausend Euro verdienen wollte, die ich für mein Leben veranschlagte, wüsste ich noch nicht genau, sagte ich. Es würde sich schon etwas ergeben: »Ich habe eine Ausbildung zum Coach absolviert, werde zu Seminaren und Vorträgen eingeladen –

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