Wer nichts weiß, muss alles glauben (German Edition)
Fernmeldesatelliten direkte TV-Kommunikation zur Erde. Doch 35.000 Kilometer sind noch immer eine lange Pilgerreise.
Es geht aber auch noch näher, neben der ISS, der Internationalen Raumstation. Die befindet sich, wie wir schon wissen, in 300 bis 400 Kilometer Höhe, und eine Marienerscheinung würde sich dann mit 28.000 km/h um die Erde drehen. Man darf sich das aber nicht so vorstellen, dass Maria sich mit einer Hand an der ISS festhält, während ihr der Fahrtwind ins Gesicht bläst. Denn im Weltall herrscht praktisch Vakuum, da gibt es keinen Fahrtwind. Und weil die ISS für eine Erdumkreisung nur rund 92 Minuten benötigt, ist ein Tag auf der ISS kurz. Alle eineinhalb Stunden geht die Sonne auf, eine zweiwöchige Pilgerreise wäre schon nach knapp einem Tag erledigt. Das heißt, man könnte noch mehr Pilger durchwinken als in Fatima oder Lourdes.
Der Haken an der Sache: Eine Reise zur Raumstation ist sehr teuer. Die Frachtkosten betragen rund 60.000 Euro pro Kilogramm. Man braucht aber gar nicht sein Körpergewicht mit 60.000 zu multiplizieren, denn dazu kommen noch die Kosten für die Lebenserhaltungssysteme und vieles mehr. Ein Start zur ISS kostet einige Millionen Euro. Die Kosten würde wohl auch ein noch so gut gehender Weltraum-Gnadenort nicht einspielen.
Aber es gibt auch andere Möglichkeiten, um einen Wallfahrtsort zu gründen. Man braucht dazu nicht einmal eine Muttergottes, oft reicht auch ein Reliquienwunder. Im Mittelalter waren geheiligte Körperfragmente integraler Bestandteil des christlichen Glaubens. Heute distanziert sich die Kirche gerne von den rauesten Praktiken, verunglimpft sie als übertriebene, naive Volksfrömmigkeit, der die Obrigkeit Einhalt zu gebieten versuchte. In Wirklichkeit war die „andächtige Beraubung“, also Leichenschändung, Reliquiendiebstahl und Grabräuberei, damals aber State of the Art. [18] Thomas von Aquin wurde nach seinem Tod von Mönchen in Fossanuova zu Präparationszwecken geköpft und gekocht [19] , zeitweise waren im Mittelalter bis zu 18 Vorhäute Christi im Umlauf.
Heute wie damals ist Reliquienverehrung vor allem ein Riesengeschäft für die Gegend, in der die Reliquie angebetet wird. In Neapel beispielsweise beten seit Jahrhunderten die Gläubigen eine Chemiebastelarbeit aus dem Mittelalter an und lassen dabei viel Geld in den Gemeindekassen. Im Dom von Neapel wird das angebliche, getrocknete Blut des im Jahre 305 enthaupteten San Gennaro in einer fest verschlossenen Ampulle angebetet. Jedes Jahr am ersten Maiwochenende und am 19. September kann man bestaunen, wie sich unter Manipulationen des Erzbischofs das vorgebliche Märtyrerblut verflüssigt.
Wer auch ein Blutwunder zu Hause haben möchte, braucht allerdings nicht Erzbischof zu werden und auch keinen Märtyrer zu köpfen. Er kann sich mit ein wenig Geschick und für wenig Geld selbst eines herstellen.
Rezept für ein Do-it-yourself-Blutwunder
Man nehme:
250 g Eisen-(III)-Chlorid
100 g Kalziumcarbonat (Eierschalenkalk)
1 Prise Salz
1 Tropfen Olivenöl
2/3 des Eisen-(III)-Chlorids in einen Kunststoff-oder Porzellanbehälter geben. Vorsichtig das Kalziumcarbo nat und das Salz dazugeben und mit einem Stück Holz, das man nie mehr wieder für irgendetwas verwendet, umrühren. Das Ganze wird zu schäumen beginnen. Um den Schaum zu bändigen, einen Tropfen Olivenöl dazugeben. Danach vorsichtig das restliche Kalzium carbonat dazugeben. Aber immer nur so viel, dass der Schaum nicht übergeht. Immer wieder stehen lassen und den Schaum mit dem Holzstück zerstören.
Ist die braune Substanz fest und wird sie durch Schütteln flüssig, sind Sie fertig. Nun vorsichtig die Substanz in eine schöne Glas phiole füllen und diese luftdicht verschließen – dann funktioniert das Blutwunder auch noch in ein paar Jahren.
Vorsicht: Die Substanz schäumt gewaltig, geht über und macht Flecken!
Wer zu faul ist oder sich für zu ungeschickt hält oder einfach keine Zeit hat, aber trotzdem dringend ein Blutwunder braucht, der kann auch Ketchup nehmen. Ketchup ist keine Flüssigkeit und auch kein Festkörper. Bei Ketchup handelt es sich, wie bei jedem besseren Blutwunder, um eine thixotrope Substanz. Das bedeutet, im Ruhezustand ist Ketchup fest. Führt man dieser Substanz aber Energie zu, zum Beispiel durch Schütteln, so wird sie flüssig.
Man kennt das von der Ketchupflasche zu Hause. Öffnet man diese, kommt erst gar nichts raus. Dann klopft man hinten auf den Flaschenboden,
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