Wer nie die Wahrheit sagt
Kunstsammler, nicht wahr? So passt das alles wieder mit Mrs. Savichs Bildern zusammen. Ihr beiden denkt also, dass er hinter all dem steckt?«
»Möglich«, meinte Simon vorsichtig.
Lily boxte ihn in die Rippen. »Das ist mehr als nur möglich, Clark. Rufen Sie unsere Handynummer an, sobald Sie was wissen, ja?«
Aber Hoyt musste noch eine Warnung loswerden. »Ihr habt mir versprochen, nicht mehr Rambo zu spielen. Und das bedeutet, dass ihr nicht zu Charlotte Frasier geht, ohne wenigstens mich dabeizuhaben.«
HEMLOCK BAY, KALIFORNIEN
Lily deutete auf die Apotheke, und Simon parkte den Wagen gleich daneben vor einer Teppichreinigung. Ein alter Mann starrte hinter der großen Scheibe zu ihnen heraus, in der drei Perser hingen, angeblich frisch gereinigt.
Zehn Minuten später kam Lily mit einer kleinen Papiertüte in der Hand wieder aus der Apotheke. Vorsichtig glitt sie auf den Beifahrersitz und holte tief Luft. »Das ist so ein wunderhübsches Städtchen«, sagte sie. »Fand ich schon immer. Man kann das Meer riechen und diesen leichten Salzfilm auf der Haut fühlen. Einfach unglaublich.«
»Ja, ja, tolles Städtchen, tolle Luft. Was ist los?«
»Ich hatte sozusagen eine göttliche Offenbarung«, gestand Lily. Und dann erzählte sie ihm, was in der Apotheke geschehen war. Es befanden sich ungefähr zehn Leute im Laden, und alle hatten, als sie sie sahen, hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln begonnen. Sie wichen vor ihr zurück, wenn sie näher kam, gaben keine Antwort, wenn sie grüßte. Lily war ein Stein vom Herz gefallen, als ihr der Apotheker, der fast achtzigjährige Mr. Bullock senior, zunickte, derweil sie sich an der Kasse anstellte. Offenbar war er der Sprecher der Schar. Er schaute ihr direkt in die Augen, bevor er den Preis ihres Aspirins eintippte, und sagte: »Allen tut es aufrichtig Leid, dass Sie wieder versucht haben, sich umzubringen, Mrs. Frasier.«
»Habe ich nicht, Mr. Bullock.«
»Wie wir hören, geben Sie Dr. Frasier die Schuld und haben ihn verlassen.«
»Das glauben also alle?«
»Wir kennen die Frasiers schon sehr lange, Ma’am. Viel länger, als wir Sie kennen.«
»Nun, Mr. Bullock, Sie sind falsch informiert. Man hat inzwischen schon drei Mordanschläge auf mich verübt.«
Er schüttelte nur den Kopf und wedelte mit ihrem Aspirinfläschchen. »Sie brauchen was viel Stärkeres als die hier, Mrs. Frasier, und zwar schleunigst. Sonst werden Sie mein hohes Alter nie erreichen.«
»Warum sprechen Sie nicht mit Lieutenant Dobbs in Eureka?«
Er schaute sie nur an und sagte nichts mehr. Lily hatte keine Lust, hier noch länger zu stehen und zu versuchen, den alten Mann umzustimmen, wo ein Dutzend Leute in der Apotheke wahrscheinlich die Ohren spitzten, also zahlte sie und ging. Sie wusste, dass diese Leute sie für unzurechnungsfähig hielten, und daran konnte sie nichts ändern.
»Das war’s. Nicht weiter schlimm.« Sie wedelte mit dem Aspirin. »Danke, Simon.« Er reichte ihr eine Flasche Dr. Pepper Light, und sie nahm zwei Tabletten.
»Interessant, dass niemand mit mir reden wollte«, meinte sie dann, »außer Mr. Bullock. Alle haben sich damit zufrieden gegeben, rumzustehen und zu lauschen.«
»Es ist trotzdem noch ein hübsches Städtchen. Tennyson, Mama und Paps waren fleißig«, sagte Simon. »Wie wär’s mit Lunch?«
Nach einem leichten Essen in einem Diner direkt am Hauptpier sagte Lily: »Ich will meine Tochter besuchen, Simon.«
Einen Augenblick lang verstand er gar nichts. Sie bemerkte es und fügte hinzu, obwohl ihr wieder die Tränen kommen wollten: »Auf dem Friedhof. Wenn ich hier wegfahre, werde ich wohl länger nicht mehr zurückkommen. Ich will mich von ihr verabschieden.«
Er wollte sie auf keinen Fall allein gehen lassen. Das war viel zu gefährlich. Als er ihr das sagte, nickte sie nur. Dann hielten sie noch kurz bei einem kleinen Blumenladen am Ende der Whipple Avenue, Molly Ann’s Blooms.
»Hilda Gaddis ist die Besitzerin von Molly Ann’s. Sie hat einen wunderschönen Strauß gelber Rosen zu Beths Beerdigung geschickt.«
»Die Narzissen sind wirklich schön.«
»Ja. Beth liebte Narzissen.« Sie sagte nichts weiter während der zehnminütigen Strecke hinaus zu dem kleinen Friedhof bei der presbyterianischen Kirche. Er war hübsch, eingebettet in einen Kranz von Hemlocktannen und Fichten, die Schutz vor dem steifen Wind boten, der vom Meer hereinwehte.
Er ging mit ihr einen schmalen Pfad entlang, der nach rechts abbog. Da stand unter
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