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Wer nie die Wahrheit sagt

Wer nie die Wahrheit sagt

Titel: Wer nie die Wahrheit sagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Sie riskierte einen Blick nach oben und sah, dass ihr einer der Männer nachkletterte. Der andere zielte mit seiner Pistole auf sie. Aber es war nur eine Handfeuerwaffe, auf diese Entfernung nicht zielgenau genug. Hoffte sie zumindest.
    War sie auch nicht. Er schoss noch dreimal, doch keine Kugel kam auch nur in ihre Nähe.
    Sie stolperte über ein verwittertes Stück Treibholz und flog bäuchlings in den Sand, die Hände vor dem Gesicht. Sie sah nassen Sand, Treibholz, Seetang und sogar eine Krabbe, die panisch vor ihr Reißaus nahm.
    Für einen Moment blieb Lily so liegen, machte einige tiefe Atemzüge und spürte, wie das Seitenstechen nachließ. Dann war sie wieder auf den Beinen. Sie sah den Mann den Pfad herunterkommen, aber er war nicht so vorsichtig wie sie. Er war ein wenig untersetzt, fast korpulent, nicht gerade topfit und trug eine von diesen futuristischen Sonnenbrillen, die die Augen auch von der Seite her abschirmten, so dass sie seine Züge nicht genau erkennen konnte. Dicke hellbraune Haare hatte er – und eine Pistole in der rechten Hand. Sie sah, wie er stolperte, wie er wild mit den Armen in der Luft herumfuchtelte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, doch vergebens. Kopfüber purzelte er den steilen Pfad herunter, landete hart auf dem Hinterteil und rührte sich nicht mehr. Seine Pistole. Seine Pistole war ihre einzige Chance. Sie hatte sie in hohem Bogen wegfliegen sehen. Sofort rannte sie zu ihm hin, griff sich unterwegs ein großes Stück Treibholz, merkte jedoch, dass es feucht und nicht schwer genug war, und schnappte sich stattdessen einen Stein. Sie beugte sich über ihn und schlug ihm den Stein, so hart sie konnte, auf den Schädel. Dann fuhr sie mit der Hand in seine Jacke, holte seine Brieftasche heraus und schob sie in ihre Tasche. Kaum zwei Meter über sich, oben auf ein paar Felsbrocken gleich neben dem Pfad, sah sie die Pistole liegen.
    Der oben stehende Mann brüllte etwas, feuerte, aber sie achtete nicht auf ihn. Sie hatte die Pistole, wandte sich um und rannte, so schnell sie konnte, über den Strand davon.
WASHINGTON D.C.
    Savich spürte, wie sein Herz unter der Hand seiner Frau unwillkürlich schneller klopfte. Er schoss hoch, knipste die Nachttischlampe an und schaute sie an. »Erzähl.«
    »Ich weiß noch, ich hatte Angst um dich, als du in dieses Konferenzzimmer ranntest. Dann, ja, ich bin mir sicher, dann sah ich, wie Timmy Tuttle Marilyn zum Zimmer der Flughafenwache am anderen Ende der Halle zerrte. Ich rannte mit drei Agenten dorthin. Das Zimmer war leer. Zumindest dachte ich das zuerst.
    Aber dann sah ich dieses grelle Licht, Dillon. Hat mich richtig geblendet, und ich schwör dir, aus irgendeinem Grund konnte ich mich nicht mehr bewegen. Das Licht war direkt vor diesem großen Fenster, und ich weiß, ich sah Timmy und Marilyn inmitten dieses Lichts.
    Ich konnte hören, wie sich die anderen Agenten etwas zuriefen. Ich merkte, dass sie nicht das sahen, was ich sah. Trotzdem, ich konnte mich nicht rühren. Ich stand da wie festgenagelt und konnte nur immer dieses Licht anstarren. Dann hat Timmy Tuttle Marilyn fest um den Hals gepackt und …«
    »Und was?«
    »Dillon, ich bin nicht verrückt, ich schwör’s dir.«
    Er zog sie an sich. »Ich weiß.«
    »Sie sind einfach verschwunden. Zuerst schienen sie direkt vor mir zu sein, dann vor dem Fenster, und das Fenster war ganz in dieses weiße Licht getaucht. Anschließend sind sie in diesem weißen Licht verblasst, bis sie verschwunden waren. Danach drehte sich plötzlich alles um mich, und ich kann mich an nichts mehr erinnern. Das ist alles.«
    »Macht nichts, Sherlock. Gut gemacht. Passt genau zu dem Rest. Allen erscheint es logisch, dass Tammy Tuttle eine Art Massenhypnose ausgeübt haben muss. Weißt du noch, wie David Copperfield durch die Chinesische Mauer gegangen ist? Wie ihm eine halbe Million Menschen dabei zugesehen haben, die meisten am Fernsehschirm?«
    »Ja. Meinst du, Tammy besitzt auch diese Begabung?«
    »Das ergäbe einen Sinn. Da war sie oder er mit Marilyn, und auf einmal war sie oder er nicht mehr da. Ich glaube, das Ganze war eine Vorstellung, eine Show, die sie für uns veranstaltet hat, um uns zu zeigen, dass sie die Meisterin ist. Und weißt du, was ich noch denke? Ich denke, Tammy wusste, dass ich versuchen würde, ihr eine Falle zu stellen, und Marilyn als Köder benutzen würde. Sie wusste, dass wir sie auf dem Flughafen erwarten würden, und war darauf vorbereitet. Und ich glaube auch, sie

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