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Wer nie die Wahrheit sagt

Wer nie die Wahrheit sagt

Titel: Wer nie die Wahrheit sagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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töten.
    Es wurde unversehens kalt, als die Sonne hinter sich zusammenballenden Wolken verschwand, dunklen, schweren Regenwolken. Es konnte jeden Moment anfangen zu schütten. Ob ihr das eher half oder schadete? Sie wusste es nicht.
    Waren es drei Männer? War einer bei Simon geblieben und zwei hinter ihr her gejagt? Vielleicht waren es ja bloß zwei, und Simon schaffte es, wegzukommen und Hilfe zu holen. Sie waren Idioten gewesen – hatten ihre FBI-Beschützer gebeten, in Hemlock Bay zu bleiben, sie wollten nur schnell raus zum Friedhof fahren, eine Privatsache, und nachher gleich wieder zurückkommen.
    Sie blieb stehen, beugte sich vor, die Hände auf die Oberschenkel gestützt, so erschöpft, dass sie kaum Luft bekam und keuchte wie eine Dampflok. Sie presste sich an die Felsen und schaute zurück.
    Auf einmal hörte sie, wie einer der Männer, die Hände zu einem Trichter geformt, rief: »Lily Frasier! Wir haben Simon Russo. Kommen Sie heraus, oder wir töten ihn. Das ist ein Versprechen. Dann werden wir unsere Freunde rufen, damit sie vom anderen Ende des Strands kommen. Wir kriegen Sie, und was wir dann mit Ihnen machen, wird Ihnen gar nicht gefallen.«
    Die Worte des Mannes erweckten schlagartig neue Kräfte in ihr. Sie richtete sich auf, atmete ruhiger. Die Stimme das Mannes – er hatte einen Akzent, irgendwie unnatürlich, gestelzt. Schwedisch. Mannomann, anscheinend war der alte Olaf Jorgenson höchstpersönlich gekommen oder hatte zumindest seine Handlanger geschickt. Sie rannte weiter, bis sie zu einem kleinen Felsvorsprung kam. Sie blickte hoch. Da hatte sie ihren Fluchtweg. Ein schmaler Pfad schlängelte sich nach oben, ganz ähnlich wie der, den sie nach unten genommen hatte. Wie weit war das? Zwei Meilen? Drei Meilen? Ohne einen Laut von sich zu geben rannte sie den Pfad hinauf, wobei sie sich mit den Händen festhielt, wo sie nur konnte, Gebüsch, Steine, um nicht hinzufallen. Sie wusste, dass sie sie nicht sehen konnten, noch nicht, nicht bevor sie um den Felsvorsprung kamen.
    Wie sollten sie töten? Nein, sie hatten ihn allein im Wagen liegen lassen. Wenn da noch ein dritter Mann war, der ihn bewachte, nun, dann konnten sie sich nicht mit ihm in Verbindung setzen. Außer sie hatten ein Handy. Jeder hatte heute ein Handy. O Gott, nein, bitte nicht. Es musste ein Bluff sein, es musste einfach.
    Einmal rutschte sie aus und löste eine kleine Gerölllawine aus. Mucksmäuschenstill stand sie da und wartete kurz, dann kletterte sie weiter. Kurz darauf war sie schon wieder oben und rannte sofort weiter. Die Männer würden schnell genug merken, wo sie hingegangen war.
    Sie musste sich beeilen, schnell, schnell. Sie hatte Schmerzen, alles tat ihr weh, aber sie konnte nur an Simon denken, wie sich seine Haare im Nacken ringelten. Nein, es durfte ihm nichts zustoßen. Sie würde es nicht zulassen. Sie hatte schon zu viele Verluste in ihrem Leben erlitten, sie konnte keine mehr ertragen. Abermals erreichte sie den rückwärtigen Teil des Friedhofs, kletterte über den gusseisernen Zaun und rannte den Pfad entlang zum Besucherparkplatz.
    Die Hupe dröhnte nicht mehr.
    Fast da, sie war fast da. Sie sah ihren Mietwagen, aber keinen Simon. Sie erreichte den Wagen. Er lag ausgestreckt auf der vorderen Sitzbank, bewusstlos. Oder tot.
    Sie riss die Fahrertür auf. »Simon! Wach auf, verdammt! Wach auf!«
    Er stöhnte, kämpfte sich in eine sitzende Stellung hoch. Er blinzelte ein paar Mal, dann blickte er sie an.
    »Sie sind hinter uns her, zwei Männer, beide mit Pistolen. Ich bin ihnen entkommen, aber wir haben nicht viel Zeit. Rutsch rüber, wir hauen ab. Ich fahre uns auf direktem Weg zum Gefängnis und lass mich von Lieutenant Dobbs einsperren. Das ist der einzig sichere Ort auf der Welt. Anwälte verboten. Bloß Lieutenant Dobbs. Er kann uns was zu essen bringen. Wir holen Dillon und Sherlock her. Die sollen das alles ausbaldowern, und dann schauen wir, dass wir von hier verschwinden.«
    Noch beim Reden gelang es ihr, seine Füße vom Sitz zu schubsen und rüber auf die Beifahrerseite zu schieben. »Es wird alles gut. Du musst gar nichts machen, schau, ich kann jetzt fahren. Ruh dich nur aus, Simon.«
    »Nein, Lily, du fährst nirgendwo mehr hin, du bleibst hübsch hier.«
    Als Lily diese Sirupstimme hörte, drehte sie sich langsam um und starrte Charlotte Frasier an, die eine gefährlich aussehende Pistole mit einem langen Lauf auf sie gerichtet hielt. »Du hast uns zu viele Probleme gemacht. Wenn ich mich

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