Wer nie die Wahrheit sagt
vor.«
Er fragte sich, ob wohl die Ghule dabei sein würden, mit Tammy als ihrer Jüngerin, ihrer Priesterin des Todes.
Er wurde allmählich melodramatisch. Alles, was er wirklich wusste, als er den Fotoladen, Hamlet’s Pics an der Westcott Avenue, betrat, war, dass er zutiefst froh war, Sherlock nicht hier zu haben und sie sicher zu Hause bei Sean zu wissen.
Er sprach mit dem Angestellten, Teddi Tyler – mit einem einfachen ›i‹, wie man ihm mitteilte –, um noch einmal aus seinem Munde zu hören, was er schon der Polizei erzählt hatte. Teddi wiederholte, dass die Frau, die Savich ihm auf dem Foto zeigte, tatsächlich erst gestern, am späten Nachmittag, im Laden gewesen sei. Er habe danach sofort die Polizei angerufen.
»Was wollte sie?«
»Sie wollte ’nen Film entwickeln lassen.«
Savich spürte, wie sein Herz pochte, langsam und kräftig, und er musste all seine Beherrschung aufbieten, um ruhig zu bleiben. Sie waren so nahe dran. »Haben Sie den Film entwickelt, Mr. Tyler?«
»Jawohl, Sir, Agent Savich. Die Polizei hat gesagt, ich soll es ruhig machen und den Film dann dem FBI zeigen.«
»Wann, sagte sie, wollte sie die Fotos abholen?«
»Heute Nachmittag um zwei. Ich habe ihr gesagt, das gehe in Ordnung.«
»Hat sie gut ausgesehen, ich meine gesund, Mr. Tyler?«
»Na ja, sie war ein wenig blass, ansonsten hat sie gut ausgesehen. Gestern war’s ziemlich kalt, deshalb war sie richtig eingemummt, hatte einen dicken Mantel an, einen Schal um und eine Wollmütze auf. Hab sie aber trotzdem gleich erkannt.«
»Haben Sie irgendwas gesagt von wegen, sie komme Ihnen bekannt vor?«
»O nein, Agent Savich. Ich war ganz cool.«
Ja, das wette ich, dachte Savich und betete, dass er cool genug gewesen war, um Tammy nicht zu alarmieren. Immerhin lebte Teddi Tyler noch, was bedeutete, dass sich Tammy nicht unmittelbar bedroht gefühlt hatte. Hoffte er zumindest. Alles, was er Savich so weit erzählt hatte, stimmte mit dem überein, was er der Polizei gesagt hatte.
»Ich möchte, dass Sie jetzt gut überlegen, Mr. Tyler. Als sie Ihnen den Film reichte, welche Hand hat sie da benutzt?«
Teddis Stirn krauste sich in drei dicke Falten. »Ihre linke Hand«, verkündete er schließlich. »Ja, es war die linke. Sie hatte eine Tasche an einem langen Riemen an der linken Schulter hängen. War irgendwie ein ganz schönes Gefummel.«
»Haben Sie ihre rechte Hand mal gesehen?«
Abermals krauste sich Teddis Stirn in Dackelfalten. »Tut mir Leid, Mr. Savich«, sagte er schließlich kopfschüttelnd, »kann mich einfach nicht erinnern. Alles, was ich sicher weiß, ist, dass sie die ganze Zeit fest eingemummt blieb – eigentlich kein Wunder, da es ja so kalt war.«
»Danke, Mr. Tyler. Also, jetzt wird ein Special Agent Ihren Platz hinter der Theke einnehmen. Agent Briggs wird bald hier sein, und Sie können ihm alles zeigen.« Savich hob die Hand, als er sah, dass Teddi Tyler ihm widersprechen wollte. »Auf keinen Fall lasse ich Sie noch einmal in die Nähe dieser Frau, Mr. Tyler. Sie ist äußerst gefährlich, sogar für uns. Und jetzt zeigen Sie mir diese Fotos.«
Savich nahm den Umschlag mit den Fotos von Teddi entgegen und ging damit zur Auslagenscheibe. Die Sonne schien recht hell für einen Novembertag. Es sah nicht so aus, als habe es draußen nur etwa fünf Grad. Langsam öffnete er den Umschlag und nahm die Hochglanzfotos heraus. Es waren nur sechs.
Er schaute sich eins nach dem anderen an, erst einmal, dann noch einmal. Er verstand nicht. Alle Fotos waren Strandaufnahmen, zweifellos in der Karibik geschossen. Zwei am frühen Morgen, zwei um die Mittagszeit und zwei bei Sonnenuntergang. Keins war besonders gut gelungen – was nicht verwunderlich war, denn sie hatte ja nur einen Arm –, aber wozu hatte sie sie gemacht? Alle waren Aufnahmen vom leeren Strand, keine Menschen drauf. Was sollte das?
Er hielt Teddi die Fotos hin. »Hat sie irgendwas über die Fotos gesagt? Was es für welche sind? Irgendwas?«
»Ja, sie meinte, es seien Urlaubsfotos, die sie ihrer Mitbewohnerin zeigen wolle. Die glaubt ihr nämlich nicht, wie schön es in der Karibik ist. Also wollte sie’s ihr beweisen.«
Wenn Tammy nicht gelogen hatte, war Marilyn also noch am Leben. Sie wollte, dass Marilyn die karibischen Strände bewunderte.
Er wies Teddi Tyler an, zu gehen, sobald Agent Briggs gekommen war. Was Briggs anging, der war der geborene Verkäufer und hatte jede Menge Erfahrung mit Undercoverjobs. Er war schnell, ein
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