Wer nie die Wahrheit sagt
Arbeit.« Er holte tief Luft. »Wir sind dabei, eine psychopathische Killerin zu schnappen, gleich hier in Bar Harbor, Maine, und ich leite den Einsatz.«
»Hören Sie, Savich, wir arbeiten mit einer ganzen Gruppe daran. Wir finden schon raus, wer sie entführt hat.«
Ja, ja, dachte Savich, dann sagte er: »Falls dieser Olaf Jorgenson dahinter steckt, dann stehen ihm praktisch alle Mittel zur Verfügung. Ein Privatjet zum Beispiel, mit Flugerlaubnis aus den Staaten. Dürfte nicht schwer sein, ihn zu finden.«
»Wir sind bereits dran. Ich rufe Sie an, wenn wir was haben. Ach ja, und viel Glück in Bar Harbor.«
»Danke. Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
»Werde ich. Hören Sie, Savich, das alles tut mir schrecklich Leid. Verdammt, wir sollten ein Auge auf sie haben, sollten ihre Sicherheit gewährleisten. Ich werde in dieser Sache alles tun, was ich kann. Ich rufe Sie stündlich an.«
»Nein, Hoyt, rufen Sie mich in den nächsten drei Stunden nur an, wenn’s ein Notfall ist. Ansonsten melde ich mich bei Ihnen, wann immer ich kann.« Clark Hoyt weiß nicht, was Irrsinn ist, dachte Savich, während er die Verbindung abbrach. Er musste Sherlock anrufen, musste ihr das alles erzählen. Gott sei Dank war sie zu Hause und in Sicherheit. Er wollte nicht, dass sie das mit Simon und Lily von Hoyt oder Lieutenant Dobbs erfuhr. Er hatte noch zwei Stunden und vierzig Minuten, um die ganze Operation auf die Beine zu stellen, also ging er zunächst zur Firefly Lane, zum Polizeirevier von Bar Harbor. Er wusste, dass er unbedingt aufhören musste, sich über Lily und Simon Gedanken zu machen. Er musste sich ganz darauf konzentrieren, Tammy Tuttle zu erledigen.
Sein innigster Wunsch war es, den Finger an ihre Halsschlagader zu legen und absolut nichts zu fühlen.
Lily hörte Stöhnen, dann ein paar keuchende Flüche, die irgendwie gar nicht mehr aufhören wollten. Diese Flüche klangen seltsam, so lang und gedehnt. Dann hörte sie Schluchzen. Schluchzen?
Nein, sie weinte nicht. Und fluchen tat sie auch nicht. Sie spürte Bewegung überall um sie herum, leise pulsierend.
Simon. Wo war Simon?
Sie öffnete langsam, ja widerwillig die Augen, wollte nicht wirklich etwas sehen, denn ihr Kopf tat so schon höllisch weh, und sie fürchtete, er würde zerplatzen, wenn sie die Augen öffnete.
Da war wieder diese Frau, die so stöhnte. Dann weinte sie, dann kamen wieder diese weichen, gedehnten Flüche.
Das war Charlotte. Jetzt fiel es Lily wieder ein. Sie hatte auf Charlotte geschossen! Leider war sie noch am Leben. Und litt Schmerzen. Endlich verspürte Lily ein Gefühl der Befriedigung. Wenn ihr der Kopf nicht so wehgetan hätte, dann hätte sie sogar gegrinst. Sie hatte zwar sich und Simon nicht retten können, aber sie hatte zumindest einigen Schaden angerichtet.
Sie bewegte ihren Kopf ein wenig. Ein scharfer Schmerz durchzuckte ihren Schädel, doch es war auszuhalten. Sie sah, dass sie ausgestreckt auf einem breiten Ledersessel lag und mit einer Art Gurt festgebunden war. Er schnitt in ihren Bauch, aber es tat nicht allzu weh, bloß ein leichtes Ziehen, und darüber war sie sehr froh.
Simon saß neben ihr. Auch er war festgeschnallt. Sie merkte, dass er ihre Hand hielt; er hatte sie auf seinen Oberschenkel gelegt und schaute dorthin, wo Charlotte sein musste.
»Simon.«
Er machte keine plötzliche Bewegung, sondern wandte ihr nur langsam den Kopf zu und blickte auf sie hinunter. Er lächelte, ja, er lächelte wirklich und sagte: »Mist, ich wusste, ich hätte dich besser zu Hause lassen sollen.«
»Und mir all die Aufregung vorenthalten? Auf gar keinen Fall. Ich bin so froh, dass du noch lebst. Wo sind wir?«
»Ungefähr dreißigtausend Meilen hoch in der Luft, in einem Privatjet, würde ich sagen. Wie geht’s dir, Süße?«
»Na, wie etwas Süßes fühle ich mich im Moment wirklich nicht. Wir sind also in einem Flugzeug? Daher dieses komische Gefühl, dass wir uns in einer Art Raumkapsel bewegen. Meine Fresse, wir sind doch nicht etwa auf dem Weg nach Schweden?«
»Möglich, aber wieso sagst du das, als ob du’s bereits wüsstest?«
»Als mich diese Typen über den Strand jagten, da haben sie mir was zugerufen. Es sind Ausländer, sie haben so ein gestelztes, unnatürliches Englisch gesprochen, schwedischer Akzent, schätze ich. Da dachte ich mir schon, dass es der alte Olaf Jorgenson nicht mehr ausgehalten und beschlossen hat, selbst Hand anzulegen.«
»Du hast Recht, es sind Schweden.« Er schwieg einen
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