Wer nie die Wahrheit sagt
eingeredet, Sie zu überreden, Ihre Bilder von Chicago ins Eureka Art Museum zu überführen. Und unser geldgieriger Mr. Monk hat auch nicht lange gefackelt.«
»Sie ließen also vier fälschen, bevor ich Wind von der Sache bekam.«
Die leuchtend blauen Augen schwenkten zu ihm hin, doch Simon spürte, dass der alte Mann ihn nicht richtig sehen konnte. »Sie haben sich eingemischt, Mr. Russo. Sie waren es, der unsere Pläne verdarb. Durch Ihre Quellen fanden Sie all die wertvollen Informationen heraus, die von einer abtrünnigen Bekannten, die mich verriet, erst an andere, dann an Sie verkauft worden waren. Aber das soll nicht Ihre Sorge sein. Wenn sie mich nicht betrogen hätte, dann würde ich jetzt all Ihre Bilder besitzen, und Sie, Lily, wären tot. Ich bin nicht sicher, ob das das Beste gewesen wäre.«
»Aber jetzt werden Sie die anderen vier nie kriegen«, sagte Lily. »Sie kommen nicht mehr an sie ran. Und die, die Sie haben, werden Sie auch nicht lange behalten. Das wissen Sie doch sicher.«
»Glauben Sie wirklich, meine Liebe?« Der Alte lachte keuchend und sagte dann, nach Luft ringend: »Kommen Sie, ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
Drei lange Korridore und fünf Minuten später standen Lily und Simon reglos in einem klimatisierten Raum und starrten die vier Meter fünfzig hohen Wände voller Sarah-Elliott-Bilder an. Die Sammlung musste mindestens hundertfünfzig Gemälde umfassen, vielleicht auch mehr.
Simon sagte, während er die herrlichen Bilder fassungslos anstarrte: »So viele Sarah-Elliotts können Sie unmöglich legal erworben haben. Sie haben ja sämtliche Museen der Welt geplündert.«
»Wo es notwendig war. Meist erwies es sich als allzu schwierig. Vorstellungskraft und Durchhaltevermögen. Ich habe Jahre gebraucht, aber ich bin ein geduldiger Mann. Sehen Sie nur die Resultate.«
»Und Geld«, ergänzte Simon.
»Natürlich«, meinte Ian Jorgenson.
»Aber Sie können sie ja gar nicht mehr sehen«, warf Lily verwirrt ein und schaute Olaf Jorgenson an. »Sie haben sie gestohlen, weil Sie besessen von meiner Großmutter sind, und Sie können sie nicht mal sehen!«
»Bis vor fünf Jahren konnte ich alles sehr wohl sehen. Selbst jetzt noch erkenne ich ihren eleganten Pinselstrich, Schatten und Farbkleckse, selbst die Bewegungen der Luft. Ihr Talent ist unvergleichlich. Ich kenne jedes, als hätte ich es selbst gemalt. Ich weiß, wie ihre Figuren fühlen, kenne die Textur ihrer Mienen, ihren Ausdruck. Ich kann einen Himmel berühren und die Wärme der Sonne spüren, und wie der Wind meine Hand liebkost. Ich kenne sie alle. Sie sind alte Freunde. Ich lebe in ihnen, bin ein Teil von ihnen und sie von mir. Ich sammle sie jetzt schon seit über dreißig Jahren. Da ich alle haben will, bevor ich sterbe, war es Zeit, mich an Sie zu wenden, Lily. Wenn ich doch nur zu Anfang schon gewusst hätte, dass Sie meiner Sarah so sehr ähneln, dann hätte ich nie erlaubt, dass diese Narren versuchen, Sie umzubringen. Aber Sie waren findig und haben sich gerettet. Dafür bin ich dankbar.«
Lily blickte auf den alten Mann in seinem Rollstuhl hinunter, auf die wunderschöne, handgestrickte blaue Decke über den Knien. Er sah aus wie ein harmloser alter Herr, in seiner hellblauen Kaschmirjacke, dem weißen Seidenhemd und der etwas dunkleren blauen Krawatte. Sie sagte nichts. Was gab es auch zu sagen? Das war einfach verrückt. Und traurig, wie sie fand, wenn man einmal davon absah, dass er bereit war, unschuldige Menschen zu töten, wenn sie ihm in den Weg kamen.
Sie blickte die Wände mit all den Bildern ihrer Großmutter an. Alle hingen perfekt, geordnet nach ihrer Entstehungsperiode. Sie hatte noch nie in ihrem Leben so viel Schönheit an einem Ort gesehen. Es war das Werk ihrer Großmutter, wie sie es noch nie gesehen hatte.
Sie sah, wie Simon langsam den großen Raum abschritt, jedes Gemälde studierte, einige zart mit den Fingerspitzen berührte, bis er zu dem kam, das Lily gehörte. Es war Schwanengesang, ihr Lieblingsbild. Der alte Mann mit dem seligen Lächeln und das junge Mädchen, das an seinem Bett stand und auf ihn niedersah.
Olaf sagte: »Das war das erste Ihrer Bilder, das ich kopieren ließ, meine Liebe. Es war immer mein Liebstes. Ich wusste, es hing im Chicago Institute of Art, aber ich konnte einfach nicht an es heran. Es war sehr frustrierend.«
»Das war also das erste, das Sie aus dem Eureka Art Museum gestohlen haben«, bemerkte Simon.
»So dramatisch war’s nun auch wieder
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