Wer nie die Wahrheit sagt
dann?«
Da lächelte er und zeigte dabei seine prächtigen, höchstwahrscheinlich falschen weißen Zähne. »Ja, ja, ich weiß, ich bin ein alter Mann, aber ich habe nicht mehr lange zu leben. Ich möchte, dass Sie die verbleibende Zeit mit mir teilen. Ich habe gehofft, dass Sie vielleicht einen Vorteil darin sähen, meine Frau zu werden.«
»Ach, sollte ich deshalb das Weiße anziehen? Um in die richtige Stimmung zu kommen?«
»Ihnen fehlt es an Manieren«, sagte Ian. Er war zornig, das sah sie. Er wollte vortreten, hielt jedoch inne, als ihm sein Vater die Hand auf den Arm legte. Ian schüttelte die Hand ab und rief erbost: »Sie hat keinen Respekt vor dir. Sie sollte sehen, was für eine Ehre es wäre, deine Frau zu werden!«
Olaf schüttelte nur den Kopf. Ja, er lächelte sogar wieder, als er zu Lily sagte: »Nein, meine Liebe, Sie tragen das weiße Kleid, weil es eine Kopie des Kleids ist, in dem ich Ihre Großmutter zum letzten Mal in Paris sah. Das war an dem Tag, als sie mit Emerson Elliott fortging. An dem Tag, an dem meine ganze Welt zusammenbrach.«
»Sie haben’s mit Kopien, was?«, meinte Lily. »Ich bin nicht meine Großmutter, Sie närrischer alter Mann.«
Ian versetzte ihr eine schallende Ohrfeige. Simon sagte kein Wort, stürzte sich auf Ian Jorgenson, gab ihm einen Kinnhaken, wirbelte herum und versetzte ihm einen Tritt in die Nieren.
»Aufhören!« Das war Nikki, der eine Pistole auf Simon gerichtet hielt.
Simon verbeugte sich spöttisch, zog sein Hemd gerade und trat zurück.
Ian erhob sich langsam mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Ich werde heute Abend mit Nikki und Alpo mitkommen. Ich werde Sie selbst töten.«
»All das hier«, meinte Simon bewundernd und blickte Olaf Jorgenson an, »und trotzdem haben Sie einen Feigling großgezogen.«
Lily legte besorgt die Hand auf Simons Arm und sagte dann zu Olaf: »Selbst wenn ich Sie als Ehemann auch nur annähernd akzeptabel fände, Sir, ich könnte Sie gar nicht heiraten. Ich bin mit Tennyson Frasier verheiratet.«
Der Alte schwieg.
»Ich möchte nie wieder heiraten, zumindest nicht, bis ich meine Auswahlkriterien gehörig überdacht habe. Und ich glaube nicht, dass Sie da je hineinpassen würden. Außerdem bin ich sowieso verheiratet, also was macht es?«
Der Alte schwieg noch immer, sah sie nachdenklich an. Dann nickte er langsam und sagte: »Ich bin gleich wieder da.«
»Was hast du vor, Vater?«
»Ich glaube nicht an Bigamie. Das ist unmoralisch, also werde ich Lily zur Witwe machen. Nikki, bring mich in die Bibliothek.« Als Nikki ihn aus dem großen Raum schob, sahen Lily und Simon noch, wie er ein dickes schwarzes Büchlein aus seiner Jackentasche zog und eifrig darin blätterte.
»Der Mann ist doch vollkommen verrückt«, flüsterte Lily erschrocken.
WASHINGTON D.C.
Savich betrat sein Zuhause, umarmte seine Frau, küsste sie und fragte: »Wo ist Sean?«
»Bei deiner Mutter und ganz glücklich. Brabbelt vor sich hin und kaut auf allem rum, was er in die Finger kriegt. Ich habe deiner Mutter eine Doppelpackung Grahamcracker dagelassen.«
Savich war viel zu müde und deprimiert, um lächeln zu können. Er hob nur fragend eine Braue.
Sie erklärte ohne Umschweife: »Ich und auch das Bureau sind deiner Meinung. Tammy hat’s auf dich abgesehen, Dillon, sie will dich erledigen. Niemand hat auch nur den geringsten Zweifel, dass sie hierher kommen wird. Ich habe Sean zu deiner Mutter gebracht, weil ich nicht will, dass er in Gefahr gerät.
Kurz bevor du heimkamst, hat Jimmy Maitland eine Presseerklärung abgegeben, in der er verkündete, dass du nicht länger die Fahndung nach Tammy Tuttle leitest. Aaron Briggs sei der neue Leiter. Er sagte, du würdest dringend im Fall Wilbur Wright gebraucht, dem Sektenführer, der für die grässlichen Morde an einem Sheriff und zwei Deputies in Flowers, Texas, verantwortlich ist. Du wirst am Freitag nach Texas fliegen, um mit den dortigen Behörden zusammenzuarbeiten.«
Er zog sie fest an sich und sagte, den Mund an ihrem Haar: »Du und Mr. Maitland, ihr habt ganz schön schnelle Arbeit geleistet. Ich fliege also am Freitag? Heute ist doch erst Dienstag.«
»Ja. So hat Tammy reichlich Zeit herzukommen.«
»Das stimmt.« Savich fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, so dass sie nach allen Richtungen hin abstanden. »Habt ihr Gabriella auch in Sicherheit gebracht?«
»Sie wird tagsüber bei deiner Mutter sein. Dort sind beide sicher. Sie sagte, sie will sich keinen einzigen Schritt
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