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Wer nie die Wahrheit sagt

Wer nie die Wahrheit sagt

Titel: Wer nie die Wahrheit sagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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ins Schlenkern geriet.
    Lily wollte keinen Ärger, absolut nicht. »Also gut«, sagte sie lächelnd, »dann setze ich mich eben woanders hin.«
    »Nicht doch, Schätzchen.« Seine Stimme war nur mehr ein Flüstern, und er packte sie am Handgelenk, damit sie sitzen blieb.
    »Loslassen, Mann, aber sofort.«
    »Nicht doch. Weißt du, ich will dir wirklich nicht wehtun. Wäre zu schade, denn, wie gesagt, bist echt hübsch. Eine Schande, aber was soll’s? Ich brauch nun mal die Knete.«
    »Sie wollen mich ausrauben?«
    »Ja, genau, nicht mehr. Keine Sorge. Will bloß dein Geldbeutelchen, Süße.« Damit zog er ein Klappmesser aus der Innentasche seiner Lederjacke, drückte auf einen kleinen Knopf, und eine äußerst scharfe Klinge schnappte aus dem Griff.
    Jetzt bekam sie doch Angst. Ihr Herz hämmerte wie wild, und das Frühstück drohte ihr hochzukommen. »Stecken Sie das Messer weg. Ich gebe Ihnen mein ganzes Geld. Ich habe nicht viel, aber ich gebe Ihnen alles.«
    Er antwortete nicht, denn der Bus verlangsamte seine Fahrt, um abermals anzuhalten. Leise sagte er: »Sorry, keine Zeit fürs Geld.«
    Er wollte sie also umbringen. Das Messer kam direkt auf ihre Brust zu. Sie spannte alle Muskeln an, spürte das Ziehen in ihrer Narbe, aber das spielte jetzt keine Rolle.
    »Idiot«, sagte sie. Sie rammte ihm den Ellbogen in den Adamsapfel, dann unters Kinn, was seinen Kopf zurückwarf und ihm die Luft abschnitt. Er hielt noch immer das Messer umklammert, keine zehn Zentimeter von ihrer Brust entfernt.
    Dreh dich nach seitwärts, damit du ihm ein schmaleres Ziel bietest.
    Sie drehte sich, dann verabreichte sie ihm einen Unterarmhammer, Daumen nach unten, auf die Innenseite seines rechten Unterarms.
    Die Person attackieren, nicht die Waffe.
    Mit der Linken packte sie sein Handgelenk und verpasste ihm einen rechten Rückwärts-Unterarmhammer gegen die Kehle. Er fuhr sich würgend und nach Luft schnappend an den Hals, und sie rammte ihm ihre Faust in die Brust, direkt über seinem Herzen. Dann packte sie sein Handgelenk und fühlte, wie ihm das Messer entglitt, hörte, wie es scheppernd auf dem Boden landete und unter den Vordersitz rutschte.
    Dem hatte sie’s gezeigt. Der Typ konnte kaum noch atmen, als sie sagte: »Kommen Sie mir nie wieder in die Quere, Sie Mistkerl.« Und dann schlug sie ihm mit der flachen Hand aufs Ohr.
    Er schrie auf, aber es kam nur ein Gurgeln heraus, da er noch immer nicht richtig Luft bekam.
    Der Bus hielt direkt vor dem Mermaid’s Tail. Der Fahrer winkte ihr durch den Rückspiegel zu, immer noch fröhlich wippend. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Die Polizei rufen? Doch dann wurde ihr die Entscheidung abgenommen. Der Typ neben ihr, der sehr wohl wusste, dass er ganz schön in der Klemme saß, sprang hoch, hob rasch sein Messer auf, richtete es mit ausgestrecktem Arm auf den Busfahrer, der nun wie erstarrt dasaß und sie beide mit aufgerissenen Augen anstarrte. Das Wippen war ihm vergangen. Der fremde Bursche fuchtelte noch einmal mit dem Messer vor ihr herum, rannte dann nach vorne, sprang mit einem Satz aus dem Bus und war auch schon um die nächste Straßenecke verschwunden.
    Der Busfahrer brüllte ihm hinterher.
    »Ist schon gut«, sagte Lily und sammelte ihre Pakete zusammen. »War bloß ein Taschendieb. Mir ist nichts passiert.«
    »Wir müssen die Polizei rufen.«
    Das Letzte, was Lily im Moment wollte, war, sich auch noch mit der Polizei rumschlagen zu müssen. Der Kerl war weg. Auf einmal fühlte sie sich ganz schwach, und ihr Herz hämmerte laut. Aber ihr Rücken war gerade. Sie war größer als noch vor fünf Minuten. Es waren bestimmt nicht mehr als fünf Minuten vergangen, seit sie den leeren Bus bestiegen hatte und auf einmal der junge Mann aufgetaucht war und ihr sein Messer unter die Nase gehalten hatte.
    Es spielte keine Rolle, dass ihre Fäden jeden Moment zu zerreißen drohten, dass ihr die Rippen wehtaten und sie von Schmerzensstichen durchzuckt wurde, denn sie hatte es getan. Sie hatte sich selbst gerettet. Sie hatte dem Typen mit dem Messer gezeigt, wo’s langging. Sie hatte keinen der Kniffe vergessen, die ihr Bruder ihr beigebracht hatte, als sie ihm das mit Jack und was er getan hatte endlich eingestehen konnte.
    Dillon hatte sie damals so fest an sich gedrückt, dass sie geglaubt hatte, ihre Rippen würden brechen. »Verdammt noch mal, Lily, ich werde nicht zulassen, dass du je wieder hilflos bist. Du wirst nie wieder ein Opfer sein. Du wirst dich deiner Haut

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