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Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden

Titel: Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Morris
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Föten abzutreiben, die wahrscheinlich behindert auf die Welt kommen würden; und je besser die Medizin Gene an- und abzuschalten lernt, desto wahrscheinlicher werden sogenannte Designerbabys, ausgestattet mit den Merkmalen, die sich ihre Eltern wünschen. Immer mehr Eltern werden sich fragen, warum man es beim genetischen Lottospiel der Natur belassen soll, wenn mit ein wenig Bastelei das Kind entstehen kann, das man gerne hätte.
    Weil Eugenik, so ein Einwand, in jedem Fall verwerflich ist – gleich ob sie von Rassisten wie Hitler oder nach Konsumentenwünschen betrieben wird. Sie könnte auch gefährlich werden: Biologen warnen gerne mit dem Hinweis, dass die »Evolution klüger ist als wir«. Eines Tages müssten wir den Preis für den Versuch bezahlen, die Natur zu überlisten und wie bei der Nutztierzucht alles Unerwünschte und Unwerte ausmerzen – Merkmale wie Dummheit, Hässlichkeit, Dickleibigkeit und Trägheit. All das Gerede vom Transzendieren der Biologie ist für Kritiker nur der Versuch, den lieben Gott zu spielen – worauf Craig Venter, einer der ersten Wissenschaftler, dem das Sequenzieren des menschlichen Genoms gelang, mit einem trotzigen »Wir spielen nicht!« geantwortet haben soll. 18
    Die Kontroverse hält an. Ich vermute aber, dass auch unser Zeitalter das Denken bekommen wird, das es braucht. Vor 10   000 Jahren sorgten sich vielleicht einige der frühen Ackerbauern, ob domestizierter Weizen und domestizierte Schafe nicht doch unnatürlich seien; vor 200 Jahren gab es genug Konservative, die Dampfmaschinen und Eisenbahnen für Teufelszeug hielten. Diejenigen, die ihre Bedenken überwanden, kamen weiter; die anderen nicht. Der Versuch, therapeutisches Klonen, Schönheit für alle und Verlängerung des Lebens gesetzlich zu verbieten, wird nicht durchführbar sein. Noch viel weniger wird man Militärs daran hindern können, an der Natur herumzufingern.
    Die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), eine dem amerikanischen Verteidigungsministerium unterstellte Behörde, gehört zu den größten Förderern von Forschungsprojekten, die sich der menschlichen Natur und ihrer Veränderung widmen. Die DARPA hat uns in den 1970er Jahren das Internet beschert (damals noch Arpanet genannt). Inzwischen beschäftigt sich das Brain Machine Interface Project der Behörde mit Computern, deren Schaltkreise durch Enzyme und DNA-Moleküle und nicht mehr durch Silikonchips gesteuert werden und die so winzig sind, dass man sie zum Beispiel in menschliche Hirne implantieren könnte. Die Forscher und Militärstrategen hoffen, über solche Hirn-Maschine-Schnittstellen eines Tages Soldaten, Kampfflugzeuge oder Drohnen steuern zu können. In ähnliche Richtung zielt auch das Silent Talk Projekt der DARPA: Implantierte Elektroenzephalographen sollen es ermöglichen, Hirnströme, also vorsprachliche »Gedanken«, zu decodieren und die Signale per Internet zu versenden, sodass Soldaten ohne Funk oder E-Mails kommunizieren könnten. Ein Bericht der National Science Foundation geht davon aus, dass »netzwerkgestützte Telepathie« in den 2020er Jahren Realität werden könnte. 19
    |571| Die letzte Komponente von Kurzweils Singularität – Computer, die die Funktionsweise biologischer Gehirne reproduzieren können – scheint schneller Wirklichkeit zu werden als gedacht. Im April 2007 verwandelten Forscher bei IBM einen Supercomputer vom Typ Blue Gene/L in einen massiv-parallelen Simulator kortikaler Prozesse, auf dem ein Programm laufen konnte, das die Gehirnfunktionen einer Maus nachahmt. Das Programm war nur halb so komplex wie ein wirkliches Mäusegehirn und lief nur mit einem Zehntel der Nagetiergeschwindigkeit. Doch schon im November hatten die Forscher ein Programm entwickelt, mit dem sie das größere und komplexere Rattengehirn imitieren konnten.
    Eine mit halber Kraft laufende Ratte ist noch weit entfernt von einem Hochgeschwindigkeitsmenschen. Die beteiligten IBM-Leute schätzten, dass die Simulation des Menschenhirns einen 400-mal stärkeren Computer erfordern würde, was jede Menge Energie-, Kühlungs- und Raumprobleme mit sich bringe, die nach dem technischen Stand des Jahres 2007 unlösbar seien. Doch 2008 sanken die Kosten erheblich, und IBM kündigte für 2011 einen neuen Supercomputer an, Blue Gene/Q, mit dem dann ein Viertel des Wegs geschafft wäre. Das noch ehrgeizigere Projekt Kittyhawk – ein Verbund von Tausenden von Blue Genes – soll in den 2020er Jahren in Reichweite rücken.
    Daraus

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