Wer regiert die Welt? – Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden
ebenso wie die aus dem Knochenbau abgeleiteten. Und demzufolge seien Ost- und Westmenschen biologisch tatsächlich unterschieden.
Wie so viele Theorien ist auch die des Multiregionalismus zweischneidig, und so beharren einige chinesische Wissenschaftler darauf, dass China etwas Besonderes sei, denn – so konnte man in der
China Daily
lesen – »die modernen Chinesen stammen nicht aus Afrika, sondern von dort, wo sich das heutige China befindet«. 10 Seit Ende der 1990er Jahre jedoch sprechen immer mehr Beweise gegen derartige Vorstellungen. Für Europa konnte gezeigt werden, dass die mtDNA der Neandertaler sich von der unseren vollständig unterscheidet, was wohl ausschließt, dass Neandertaler und
Homo sapiens
gemeinsame Nachkommen gehabt haben. Selbst die winzige Möglichkeit, dass sich Neandertaler und
Homo sapiens
gekreuzt haben, dass dann aber genetisches Material von Neandertalern durch zufällige Auslöschung aus unserem Genpool verschwunden ist, dürfte eher unwahrscheinlich sein: Die mtDNA, die Genetiker 2003 aus in Europa gefundenen, 24 000 Jahre alten Skeletten extrahiert haben, zeigt eine Menge Gemeinsamkeiten mit unserer, jedoch überhaupt keine mit der mtDNA von Neandertalern.
Die Zahl der Untersuchungen fossiler DNA aus Ostasien ist geringer, doch die wenigen Studien, die unternommen wurden, sprechen dafür, dass auch hier keine Vermischung stattgefunden hat. Die Autoren einer Untersuchung von Y-Chromosomen stellen sogar fest: »Die Daten stützen nicht einmal einen minimalen Beitrag von dort lebenden Hominiden zur Abstammung des anatomisch modernen Menschen in Ostasien.« 11 Die genetischen Daten scheinen eindeutig zu sein.
Homo sapiens
hat sich in Afrika entwickelt und sich nicht mit Affenmenschen gekreuzt – möglicherweise konnte er das nicht einmal.
Die Diskussion zieht sich hin, noch 2007 wurde triumphierend behauptet, die Formen kürzlich in Zhoukoudian ausgegrabener Zähne und eines Schädelfragments aus Xuchang zeigten, dass sich in China aus dem
Homo erectus
anatomisch moderne Menschen entwickelt hätten. Aber noch während diese Funde publiziert wurden, trieben andere Wissenschaftler den, wie es scheint, letzten Nagel in den Sarg der Multiregionaltheorie. Ihre ausgeklügelte, mehrfache Regressionsanalyse der Maße von über 6000 Schädeln zeigen, dass die Variationen von Schädeltypen, bei angemessener Berücksichtigung des Klimas, dem entsprechen, was die DNA-Analysen ergeben haben. Wir alle sind Afrikaner. Unsere Verbreitung aus Afrika heraus in den letzten 60 000 Jahren hat alle genetischen Unterschiede von der Tafel gewischt, die sich in der halben Million Jahre zuvor herausgebildet hatten.
Damit entbehren rassistische Theorien, die die Vorherrschaft des Westens in der Biologie begründet sehen wollen, jeder faktischen Grundlage. Vielmehr gilt: Menschen sind, in großen Gruppen betrachtet, alle gleich, wo immer man sie findet. Wir alle haben von unseren afrikanischen Vorfahren den gleichen unruhigen, erfinderischen Geist geerbt. Biologie als solche kann nicht erklären, warum der Westen die Welt beherrscht.
|81| Prähistorische Picassos
Wenn die Rassentheorien falsch liegen, wo beginnen die Unterschiede zwischen Ost und West dann? Über 100 Jahre lang dachten viele Europäer, die Antwort liege auf der Hand: Sie brauchten keine Biologie, um an ihre kulturelle Überlegenheit und auch daran zu glauben, dass diese bestehe, seit es so etwas wie den modernen Menschen gibt. Den Beweis, der sie so sicher machte, glaubten sie seit 1879 zu haben. Charles Darwins
Über die Entstehung der Arten
, zwei Jahrzehnte zuvor erschienen, machte aus der Fossilienjagd ein respektables Hobby für adlige Landbesitzer, und wie so viele seiner Standesgenossen widmete sich auch Don Marcelino Sanz de Sautuola auf seinen nordspanischen Ländereien der Suche nach Höhlenmenschen. Eines Tages besuchte er, seine Tochter im Schlepptau, die Höhle von Altamira. Archäologie ist nicht das spannendste Spiel für Achtjährige, sodass die kleine Maria umhersprang, während der Vater die Augen fest auf den Boden heftete. Und plötzlich, so erzählte sie Jahre später in einem Interview, habe sie Gestalten und Figuren am Höhlendach gesehen. »Schau Papa, gemalte Stiere!«, habe sie gerufen.
Alle Archäologen träumen von einem solchen Augenblick, in dem man nicht glauben kann, was man sieht, in dem die Zeit stillsteht und angesichts einer atemberaubenden Entdeckung alles andere versinkt. Nur wenigen ist das
Weitere Kostenlose Bücher